Kult-Tresen vor dem Aus

Berliner Kneipensterben: Wird die Watt-Bar ausgeknipst?

In Berlin hat das Kneipensterben längst begonnen. Besonders betroffen: der Prenzlauer Berg. Hier droht jetzt auch der Watt-Bar das Aus.

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Die Watt-Bar in der Metzer Straße in Berlin-Prenzlauer Berg steht vor dem Aus.
Die Watt-Bar in der Metzer Straße in Berlin-Prenzlauer Berg steht vor dem Aus.Privat

In Prenzlauer Berg droht ein weiteres Stück Berliner Kulturgeschichte verloren zu gehen. Die Watt-Bar, seit Jahren ein beliebter Treffpunkt für Kunst, Musik und Menschen unterschiedlichster Couleur, steht vor dem Aus. Nach zehn Jahren soll für das charmante Lokal mit seinem unkonventionellen Mix aus Kulturveranstaltungen, Lesungen und Ausstellungen im Herbst Schluss sein. Der Grund: Der Mietvertrag wird nicht verlängert – ein weiterer Fall im Berliner Dauer-Drama um steigende Gewerbemieten und schwindende Freiräume.

Dabei war die Watt-Bar mehr als nur ein Ort zum Trinken. Unter bunten Lichterketten lebt ein Projekt, das Kultur niedrigschwellig zugänglich machte. Was auf den ersten Blick wie eine kleine Kneipe an der Ecke Metzer Straße und Straßburger Straße wirkt, war für viele ein zweites Wohnzimmer – ein Ort des Austauschs, der Debatte, der Kreativität, schreibt die Berliner Morgenpost.

Hier begegneten sich Studenten, Künstler, Nachbarn und alteingesessene Berliner auf Augenhöhe, bei ehrlichen Getränkepreisen und großstädtischer Lebendigkeit. Jetzt aber scheint diese lebendige Vielfalt der Profitlogik weichen zu müssen. Die Eigentümer des Eckhauses, selbst aus der Kulturszene, haben dem Projekt die Verlängerung des Mietvertrags verweigert, so die Morgenpost.

Dabei war ursprünglich von Verhandlungen die Rede. Doch statt eines Gesprächs flatterte ein schriftliches Aus ins Haus. Im Raum steht sogar eine drastische Mietsteigerung – eine klare Hürde für die Betreiberin, eine gelernte Bildhauerin, die das Projekt mit Herzblut führt. Wer der potenzielle Nachmieter sein könnte, bleibt im Dunkeln. Gemunkelt wird von einem Restaurant.

Was sich in diesem Kiez abzeichnet, ist kein Einzelfall. Immer mehr unabhängige Läden und Bars verschwinden aus dem Stadtbild – verdrängt von Investoren, verdrängt von Rendite. Die Liste ist lang: Vom Burlesque-Club „Zum starken August“ über die „Marietta-Bar“ bis hin zum linken Bekleidungsladen „Hoolywood“ – sie alle mussten gehen.

Gäste wollen nicht kampflos zusehen, wie die Watt-Bar stirbt

In Prenzlauer Berg wird das Gesicht des Viertels neu gezeichnet, und es trägt immer seltener die Züge von Subkultur und Vielfalt. Dass ausgerechnet Kulturschaffende hinter dem Rauswurf der Watt-Bar stehen, verleiht der Geschichte eine bittere Note. Die Enttäuschung ist groß – auch bei den Unterstützern der eigens gegründeten Initiative „Watt retten“.

Die Watt-Bar hat viele Stammgäste. Sie wollen für den Erhalt der Kneipe kämpfen.
Die Watt-Bar hat viele Stammgäste. Sie wollen für den Erhalt der Kneipe kämpfen.Privat

Die Leute wollen nicht kampflos zusehen, wie ein weiteres Stück Stadtkultur untergeht. Unterstützung kommt von zahlreichen Künstlerinnen, Politikern und Anwohnern. Im Fenster des gegenüberliegenden Metzer Eck hängt längst ein Protestplakat, online sammeln sich Unterschriften. Tausende Menschen haben bereits signalisiert: Diese Bar bedeutet etwas.

Der Standort selbst blickt auf eine lange Geschichte kultureller Nutzung zurück. Schon vor dem Watt war hier die Szene zuhause – sei es in der „Bar Diller“, benannt nach dem Maler Michael Diller, oder der „Rumbalotte continua“, einem Projekt des Schriftstellers Bert Papenfuß. Die Tradition eines künstlerischen Rückzugsortes lebt in den alten Wänden – zumindest noch.

Darum heißt es für viele: kämpfen. Für ein Stück Berlin, das mehr ist als Beton, Miete und Rendite.

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