Sie will künftig das EU-Parlament aufmischen, doch in Berlin muss sie mal wieder die Anklagebank drücken: Klima-Kleberin Carla Hinrichs (27). Fünf Anklagen und ein Strafbefehl liegen gegen die Mitgründerin und Sprecherin der Protestgruppe Letzte Generation vor. Darin geht es um insgesamt elf Straßenblockaden in der Zeit von August 2021 bis Mai 2023.
Mit großen Störungen viel Aufmerksamkeit erregen, um vor dem befürchteten Kollaps des Planeten zu warnen. Mehr als zwei Jahre lang war das die Strategie der Klima-Kleber. Lange Staus meist im morgendlichen Berufsverkehr, Autofahrerinnen und Autofahrer genervt, etliche Polizisten jeweils im Einsatz.
Carla Hinrichs wurde im März 2023 schon einmal zu 600 Euro Strafe verurteilt
Bei den meisten der elf Blockaden, um die es nun geht, hatte sich Hinrichs auch mit einer Hand an die Fahrbahn geklebt. Das belegen Videos der Polizei. Sie wurden am ersten Prozesstag abgespielt. Betroffene Autofahrer wütend: „Der Bürger kann seiner Arbeit nicht nachgehen.“ Und: „Nichtsnutze!“ Aber auch mal Zuspruch: „Bewundere euch.“
Hinrichs erschien nun im schicken Blazer. Ihr Jura-Studium hat sie vor Jahren für den Protest unterbrochen. Sie stand in einem ähnlichen Verfahren schon einmal vor Richter Christoph Weyreuther. Sie verlangte Freispruch, er urteilte im März 2023: 600 Euro Strafe. Weil es „eine Straftat ist, wenn man anderen seinen Willen aufzwingt“. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.

Nun droht eine höhere Strafe. Hinrichs gestand zwar unumwunden ihre Beteiligung an den elf Aktionen, will aber Freispruch. Die Klima-Kleberin: „Mein Verhalten war von Vernunft geprägt und sollte nicht bestraft werden.“ Von „Selbstverteidigung“ und „moralischer Pflicht“ angesichts der Klimakrise sprach sie.
Am 9. Juni kandidiert Carla Hinrichs bei der EU-Wahl
Der Richter im aktuellen Verfahren um Nötigung sowie Widerstand durch Festkleben: „In vielen Dingen haben Sie ja recht. Kämpfen Sie für den Wandel, aber nicht mit den Methoden, die sie laut Anklagen gebraucht haben!“
Vom Festkleben am Asphalt hat sich die Protestgruppe vor ein paar Monaten verabschiedet. Für Hinrichs geht jetzt der Blick in die Politik: Die Gruppe wird unter dem Namen „Parlament aufmischen – Stimme der Letzten Generation“ am 9. Juni bei der Europawahl antreten. Hinrichs: „Ich stehe auf Listenplatz drei.“ Als Beruf wird „Klima-Kleberin“ angegeben. Prozess-Fortsetzung: 27. Mai. ■