Die Berlin meckern und das zurecht – über unpünktliche Züge und Ausfälle bei den Öffis. Aus Sicht der Berliner Grünen ist der schwarz-rote Senat verkehrspolitisch auf dem Holzweg. Sie fordern: Am Nahverkehr darf nicht gespart werden, sonst drohe ein Riesenchaos. Stimmt. Bemängelt werden vor allem fehlende, neue U-Bahnen. Was die Grünen dabei aber zu vergessen scheinen: Mehr als sechs Jahre lang, von Dezember 2016 bis April 2023, führten Regine Günther und Bettina Jarasch die Berliner Verkehrsverwaltung an. Zwei Politikerinnen der Grünen. Und die Probleme bei der Bestellung der dringend benötigten U-Bahnen begannen damals.
Die Grünen im Berliner Landesparlament werfen dem schwarz-roten Senat vor, den öffentlichen Nahverkehr kaputtzusparen. „Wir sehen, dass die U-Bahnwagen immer mehr ausfallen, weil sie alt sind. Wir brauchen weitere und neue Bestellungen und müssen damit schneller vorankommen. Wir müssen die Ausschreibung für die S-Bahn auf den Weg bringen“, sagte Grünen-Fraktionschef Werner Graf. „All das passiert im Augenblick nicht.“
Hunderte Züge bestellt, die bis heute nicht da sind
„Fakt ist, es fällt eine U-Bahn nach der anderen aus, weil die Wagen nicht mehr mithalten. Das wird auf Dauer so zu einem Kollaps führen“, warnt Graf. Busse und Bahnen seien aber das Rückgrat des Verkehrs in Berlin. „Wenn wir hier Probleme bekommen, kriegen wir in der ganzen Stadt ein Riesenchaos – und das riskiert diese Regierung gerade.“ Der vorherige rot-grün-rote Senat habe entsprechende Investitionen geplant. Schwarz-Rot würge das nun ab.
Das Problem liegt aber offenbar woanders: Dass die neuen U-Bahnzüge, die 2019 unter einer grünen Verkehrssenatorin bestellt wurden, um die seit Jahren bestehende Fahrzeugnot zu lindern, immer noch nicht da sind. Erst gab es Rechtsstreitigkeiten über die Vergabe, die die Beschaffung blockierten, dann ließen Corona und der Krieg in der Ukraine Lieferketten zusammenbrechen. Laut Vertrag umfasst die Mindestbestellmenge 606 Wagen, die insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro kosten.
Zunächst wurden 376 Wagen abgerufen. Die erst 2022, dann im Frühjahr 2023 kommen sollten. Sollten. Doch der Auslieferungstermin wurde immer wieder verschoben. Ein paar Züge sind inzwischen da, die aber erst noch im Fahrgastbetrieb getestet werden müssen. Wann der Rest kommt? Ein Termin wurde bisher von Stadler nicht genannt. Weitere Bestellungen bringen wenig, erstmal müssen die bestellten kommen.
Skeptisch sieht Grünen-Fraktionschef Werner Graf auch die Diskussion darüber, ob bei Investitionen in den ÖPNV an den Standards gespart werden könne und ob auch die Umrüstung der Busflotte auf E-Antrieb Sparpotenzial biete. „Jetzt das Ziel bis 2030 alle Busse in Berlin elektrifiziert zu haben aufzugeben, ist ökologisch und wirtschaftlich Quatsch“, sagt er.
„Berlin muss E-Busse kaufen, um dem Klima und der Stadtluft gerecht zu werden. Ob jeder Bus einen USB-Stecker braucht, darüber können wir diskutieren. Aber das macht den Braten auch nicht fett. Diese Standarddiskussion bringt vor allem Verzögerungen mit sich, um die Investitionen kommen wir aber nicht herum.“

Natürlich koste die Anschaffung von E-Bussen mehr. „Im Dauerbetrieb sind sie aber günstiger“, sagt Graf. Beim Elektro-Antrieb werde es das Gegenteil sein. „Wir werden dafür sorgen, dass die Strompreise stabil bleiben. Die fossilen Brennstoffe werden aber in Zukunft immer teurer werden, darauf müssen wir uns auch vorbereiten.“
Problem bei E-Bussen: Neuer Betriebshof verzögert sich
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen die komplette Busflotte bis 2030 auf E-Antrieb umstellen und halten an diesem Ziel nach eigenen Angaben auch fest. Die Umstellung verzögert sich allerdings. Aktuell haben 228 der rund 1600 BVG-Busse einen E-Antrieb. In diesem und im kommenden Jahr sollen 50 neue Elektro-Gelenkbusse geliefert werden, wie ein BVG-Sprecher sagt. „Die ersten kommen noch in diesem Jahr.“ Zum Zeitplan sei die BVG mit Behörden, Land und Bund in ständigem Austausch. Die Verkehrsverwaltung hat bereits im Juni auf Verzögerungen bei der Auslieferung der E-Busse hingewiesen, weil es mit dem Neubau eines Betriebshofes für die Busse nicht wie geplant vorangehe.
Der Grünen-Fraktionschef warnt, beim Nahverkehrsausbau angesichts der aktuellen Sparzwänge zu bremsen: „Wir brauchen beim ÖPNV bezahlbare Preise, wir brauchen aber vor allem auch ein sehr gutes Angebot“, sagt er. „Und das heißt, wir müssen in den Nahverkehr weiter stark investieren. Wenn ich höre, dass diese Koalition beim Nahverkehr den Rotstift ansetzen will, frage ich mich schon, ob das die richtige Prioritätensetzung ist.“
„Wir müssen den Bestand erst mal wieder richtig fit bekommen. Wir sehen aber vor allem, dass wir im Augenblick mit Nebelkerzen abgelenkt werden“, sagt Werner Graf. „Da wird eine Magnetschwebebahn ins Spiel gebracht, die nie kommen wird. Es werden jeden Tag neue U-Bahnlinien versprochen, die nicht kommen werden, aber in die bestehenden Linien, Züge und Bahnhöfe wird nicht mehr investiert.“ ■