Ganz Deutschland liegt in Reinickendorf. Wer wissen will, die die Bundesrepublik tickt und bei Wahlen abstimmt, der muss nur in der nördlichen Berliner Stadtteil schauen. Zum vierten Mal in Folge hat der Bezirk fast genauso abgestimmt, wie das Ergebnis auf Bundesebene ausgefallen ist.
Während die Berliner Bezirke sehr unterschiedlich abgestimmt haben und manche Parteien einige ihrer „Hoheitsgebiete“ verloren haben, zeichnet Reinickendorf ein besonderes Wahlabbild. Der Bezirk im Norden Berlins ist nämlich zum wiederholten Mal ein Spiegelbild der deutschen Wählerschaft. Die Verteilung der Zweitstimmen folgt genau der Reihenfolge auf Bundesebene: 26,4 Prozent für die CDU, 17,4 Prozent für die AfD, 17,3 Prozent für die SPD und 12,8 Prozent für die Grünen. Die Linke holt in Reinickendorf 11,8 Prozent. Ausgenommen die BSW schafft es hier über die Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP 4,5 Prozent bekommt aber auch von den Reinickendorfern eine Klatsche.
- CDU/CDU: 28,5 Prozent
- AFD: 20,8 Prozent
- SPD: 16,4 Prozent
- Grüne: 11,6 Prozent
- Linke: 8,8 Prozent
- BSW: 4,97 Prozent
- FDP: 4,3 Prozent

In Reinickendorf ticken die Uhren ganz Deutschland
In Reinickendorf zeigt sich ein bemerkenswertes Phänomen: Bereits bei den Bundestagswahlen 2021 stimmte der Bezirk nahezu identisch mit dem bundesweiten Durchschnitt ab. Diese Übereinstimmung war auch schon bei den Wahlen 2017 und 2013 festzustellen. Eine Analyse des „Tagesspiegels“ aller 299 Wahlkreise in Deutschland ergab, dass Reinickendorf im Jahr 2021 die engste Übereinstimmung mit dem Bundesschnitt bei den Zweitstimmen aufwies – die Abweichungen der sechs größten Parteien lagen jeweils unter 0,8 Prozentpunkten.
Ganz Deutschland liegt also in Reinickendorf. Der Bezirk ist aber auch in vielen Dingen sehr unterschiedlich. Der Ortsteil Lübars ist eher dörflich, ganz anders sieht es dagegen im Märkischen Viertel mit seinen Hochhäusern aus. In den Stadtteilen Frohnau und Hermsdorf macht man sich um Geld keine Sorgen, in Richtung Innenstadt bestimmen die typisch Berliner Probleme den Alltag: steigende Mieten und Preise.
Wahlforscher Aiko Wagner von der Berliner Humboldt-Universität hält das Ergebnis nicht für zufällig. „Diese soziostrukturelle Heterogenität macht Reinickendorf als ‚Beispielgemeinde‘ durchaus plausibel“, sagte er dem „Tagesspiegel“. ■