Ende März 2025 büßten in Berlin 202 Menschen eine Ersatzfreiheitsstrafe ab. Das heißt, sie kamen ins Gefängnis, weil sie zum Beispiel eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten oder wollten. Was auffällt: Die Zahl derer, die wegen Schwarzfahrens bei der BVG ersatzweise im Knast sitzen (nach § 265a StGB), nimmt in Berlin seit drei Jahren ab. Das liegt allerdings auch daran, dass in Bussen und Bahnen immer weniger kontrolliert wird. Trotzdem wollen die Berliner Grünen die Ersatzfreiheitsstrafe für Schwarzfahrerinnen und Schwarzfahrer abschaffen. Und machen jetzt wieder Druck. Wieso eigentlich?
Wer heute in Berlin ohne Fahrschein unterwegs ist, geht ein immer geringeres Risiko ein – zumindest, wenn er mit der BVG fährt. Die Zahl der Fahrscheinkontrollen ist in den vergangenen Jahren massiv eingebrochen. Nur noch 5,3 Millionen Mal wurden Fahrgäste 2022 kontrolliert – etwas mehr als halb so oft wie noch 2019. Und das bei mehr als 1,1 Milliarden Fahrten jährlich. Das berichtet die Berliner Zeitung und beruft sich dabei im Wesentlichen auf eine parlamentarische Anfrage der Berliner Grünen-Abgeordneten Antje Kapek und Petra Vandrey vom 14. April.
Anders sieht es bei der Berliner S-Bahn aus, dort steigt die Zahl der Fahrscheinkontrollen. Gegenüber „nur“ 9,3 Millionen Kontrollen im Jahr 2019 waren es nach KURIER-Informationen 2024 bereits 11,1 Millionen.
Besonders in der Berliner U-Bahn ist Schwarzfahren also ein beinahe risikofreies Spiel geworden. Und das, obwohl die Quote der ertappten Schwarzfahrer seit der Pandemie sogar gestiegen ist. Während die S-Bahn Berlin ihre Kontrollen wie erwähnt konsequent hochfuhr, blieb die BVG auf Sparflamme, mit Folgen. Denn auch in juristischer Hinsicht lässt die BVG nach.
Von 10.871 auf 1693: BVG geht kaum noch juristisch gegen Schwarzfahrer vor
So ist die Zahl der Strafanträge gegen Schwarzfahrer eingebrochen – von knapp 11.000 Fällen im Jahr 2019 auf weniger als 1700 im letzten Jahr. Bei der S-Bahn dagegen stiegen die Anzeigen auf fast 13.824. Das zeigt: Während ein Teil des ÖPNV härter durchgreift, lässt der andere locker – und das in derselben Stadt.
Aber nicht alle kommen auch davon: Im vergangenen Jahr saßen 34 Berlinerinnen und Berliner im Gefängnis, weil sie ihre Strafe für das Fahren ohne Ticket nicht bezahlen konnten. Die Ersatzfreiheitsstrafe kostet den Steuerzahler übrigens 229,40 Euro am Tag (2023). Eine absurde Rechnung, finden die Grünen.
Arm, aber kriminell? Grüne fordern: Schluss mit der Strafverfolgung von Armut
Für die Berliner Grünen ist Schwarzfahren kein krimineller Akt, sondern ein Armutsdelikt. „Nur ein Drittel der Menschen in Berlin besitzt ein eigenes Auto – dafür lebt aber ein Drittel unterhalb der Armutsgrenze“, sagt die Verkehrspolitikerin Antje Kapek. Wenn dann auch noch das Sozialticket von 9 auf 19 Euro im Monat verteuert wird, bleibt vielen nur noch der Weg ohne Fahrschein.
Die Grünen fordern deshalb eine vollständige Entkriminalisierung des Schwarzfahrens – ganz im Sinne der Ampel-Regierung, die dieses Ziel bereits angeschoben hat. „Wer falsch parkt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wer aber kein Geld für ein Ticket hat, gilt als Straftäter. Das ist nicht gerecht“, wird Kapek in der Berliner Zeitung zitiert.

Trotz weniger Kontrollen spülten erhöhte Beförderungsentgelte (EBE) der BVG Millionen in die Kassen – 6,4 Millionen Euro allein 2024, geht aus der parlamentarischen Anfrage vom 14. April hervor. Viele Fahrgäste zahlen trotzdem nicht. Die Zahl der Abo-Nutzer stieg zwar auf 1,215 Millionen – dank Angeboten wie dem Deutschlandticket oder Sozialticket –, doch das hält nicht alle Berliner vom Schwarzfahren ab.
Schwarzfahren ist längst Realität in Berlin – aber wer zahlt den Preis?
Während weniger Kontrolleure unterwegs sind und Verfahren oft eingestellt werden, sitzen immer noch Menschen im Gefängnis, weil sie sich eine Fahrkarte nicht leisten können. Die Frage ist: Wie lange noch? Und: Wird Berlin das Schwarzfahren irgendwann mal entkriminalisieren – oder weiter zuschauen, wie soziale Ungleichheit stigmatisiert wird?
Dirk Feuerberg von der Senatsverwaltung für Justiz teilt dazu mit: „Die Vermeidung beziehungsweise Reduzierung von Ersatzfreiheitsstrafen ist ein wichtiges Anliegen, an dessen Umsetzung zahlreiche Akteurinnen und Akteure in unterschiedlichen Bereichen der Berliner Justiz arbeiten.“
Und weiter: „Die Koordination der verschiedenen Maßnahmen erfolgt durch die Regiestelle gemeinnützige Arbeit (RGA) bei den Sozialen Diensten der Justiz. Eine darüber hinausgehende Bereitstellung von finanziellen Mitteln, um Geldstrafen zu begleichen und dadurch den Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden, ist nicht vorgesehen.“
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