Seit Montag wird am Dreieck Funkturm in Berlin, einem der meistbefahrenen Verkehrsknotenpunkte Deutschlands, die Ringbahnbrücke neu gebaut. Für viele klingt das nach Fortschritt – für Mobilitätsforscher Andreas Knie ist es genau das Gegenteil. Er sieht im Großprojekt ein Relikt vergangener Zeiten und fordert ein Umdenken im Verkehrssystem.
Knie hält den schnellen Wiederaufbau für keineswegs zwingend. Angesichts der angespannten Haushaltslage könne sich Deutschland den bisherigen Ausbauwahn schlicht nicht mehr leisten, sagte er im Interview mit dem RBB.
Statt immer neue Betonkilometer zu gießen, müsse endlich die Frage gestellt werden, welche Autobahnen und Brücken tatsächlich noch gebraucht werden. Intelligent schrumpfen nennt er das – also gezielt Infrastruktur zurückbauen, die weder finanziell noch verkehrlich Sinn ergibt.
Dreieck Funkturm wichtiger Knotenpunkt
Das Argument, das Dreieck Funkturm sei ein unverzichtbarer Knotenpunkt, überzeugt ihn nicht. Zwar gehöre der Abschnitt zu den am stärksten befahrenen in Deutschland, doch die Zahlen zeigten längst eine andere Richtung.
„Wir haben in Berlin seit 2016 etwa ein bis zwei Prozent weniger Fahrleistung pro Jahr. Die alte Idee, wir fahren immer mehr, wir brauchen immer größere Infrastruktur, immer mehr Brücken, immer mehr Autobahnen – das stimmt nicht mehr“, so Knie zum RBB.
Dauerstau und Frust hielten viele ohnehin von der Autobahn fern. Die alte Logik, immer mehr Verkehr brauche immer größere Straßen, sei überholt. Statt neuer Bauwerke brauche die Stadt eine intelligente Nutzung des Bestehenden.
Für Autofahrerinnen und Autofahrer wird der Neubau nach Knies Einschätzung kaum Veränderungen bringen. Schon der Abriss der alten Brücke hatte den Verkehr stark eingeschränkt – diese Engpässe bleiben.

Die eigentliche Belastung sieht der Forscher woanders: bei der Bahn. Kritisch könne es werden, wenn der Bau stärker in den Zugverkehr eingreift als geplant. Besonders die Ringbahn sei empfindlich – jede Unterbrechung treffe hier Tausende Pendlerinnen und Pendler.
Auch abseits des Funkturms sieht Knie die Stadt an einem Wendepunkt. Der motorisierte Individualverkehr verliere an Bedeutung, während sich mehr Menschen zu Fuß, mit dem Rad oder im öffentlichen Nahverkehr fortbewegten. Der Anteil des Autos am gesamten Verkehrsaufkommen liege nur noch bei gut 20 Prozent – Tendenz weiter sinkend.
Autobahn-Infrastruktur altert dramatisch
Gleichzeitig altere die Autobahn-Infrastruktur dramatisch. Viele Strecken entstanden in denselben Jahrzehnten und bröckeln nun gleichzeitig. Für Knie ist klar: Berlin müsse jetzt entscheiden, welche Teile der Stadtautobahn überhaupt noch gebraucht werden.
Abschnitte wie an der Schlangenbader Straße oder der Abzweig nach Steglitz könnten zurückgebaut werden, statt neue Probleme zu schaffen. Der geplante 17. Bauabschnitt der Stadtautobahn sei seiner Ansicht nach überflüssig – weder finanziell noch verkehrspolitisch zu rechtfertigen.