Geschenke gegen Sterne

„Fake-Bewertungen“ auf Amazon & Co: Kennen Sie DIESE fiese neue Masche?

Kundenrezensionen sind eigentlich dazu da, anderen bei der Kaufentscheidung zu helfen. Doch findige Anbieter wenden sich nun an unzufriedene Käufer – mit einem unmoralischen Angebot.

Author - Joane Studnik
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Hersteller von Saugrobotern versprechen die Entlastung von Plackerei im Haushalt, doch nicht alle Geräte erfüllen die Erwartungen.
Hersteller von Saugrobotern versprechen die Entlastung von Plackerei im Haushalt, doch nicht alle Geräte erfüllen die Erwartungen.imago/Zoonar

Das Online-Kaufhaus Amazon betreibt massiven Aufwand gegen sogenannte Fake-Rezensionen, aus seiner Sicht erfolgreich. Doch Anbieter werden immer dreister, angeblich echte Rezensionen zu kreieren – sogar mit Hilfe enttäuschter Kunden.

Roboter, die Fenster wischen, beim Kochen und Aufräumen helfen: wahre Quantensprünge sind bei der Entwicklung von Haushaltsgeräte zu erleben – vor allem die einst schnöden Staubsauger sind zu einer Spielwiese von Technik-Fans geworden. Auch Männer drücken sich längst nicht mehr vor der Hausarbeit, sondern präsentieren stolz ihre Dyson Turbostaubsauger mit Hepa-Filtern und kraftstrotzenden Motoren, deren Design an Weltraumwaffen aus Science-Fiction-Filmen erinnert.

Weniger zum Protzen als zum Staunen eignen sich Saugroboter, die die Reinigung von Teppichen, Laminat- und Parkettböden ganz von alleine erledigen – so jedenfalls das Werbeversprechen. Viele dieser Geräte werden im Internet bestellt – das Online-Warenhaus Amazon spielt im Markt eine führende Rolle und hat den Premium-Hersteller iRobot mit dessen bekannter Saugroboter-Marke Roomba gleich für 1,7 Milliarden US-Dollar geschluckt.

Chinesische Billig-Anbieter machen teuren Saugroboter-Anbietern auf Amazon Konkurrenz

Doch auch mit Produkten der Konkurrenz macht Amazon gute Geschäfte: Während die iRobot-Modelle eher hochpreisig, teils für über 1000 Euro angeboten werden, bieten überwiegend aus China stammende Firmen günstige Saugroboter bereits ab etwa 100 Euro auf derselben Verkaufsplattform an, unter Fantasienamen wie Airrobo, Lefant oder Lubluelu.

Bemerkenswert: Auch diese Sauger-Schnäppchen kommen bei Kundenrezensionen mit Bestbewertungen weg – ein Gerät für gerade einmal 160 Euro bekommt die absolute Top-Bewertung, runde 5 Sterne und verspricht trotz einer eher unterdurchschnittlichen Saugleistung, selbst widerborstige Tierhaare aus Teppichen zu saugen. Höherpreisigen Geräten geben Kundinnen und Kunden zwar auch häufiger Bestbenotungen, doch mischen sich in die Bewertungen Enttäuschungen über nicht erfüllte Erwartungen oder sogar verkratzte Böden.

5-Sterne-Bewertungen auf Amazon: günstige Saugroboter teils besser bewertet als teure

Für die Anbieter und die Handelsplattform garantieren 5-Sterne-Bewertungen Umsätze; Käuferinnen und Käufer hingegen erhoffen vor allem glaubhafte Erfahrungsberichte. Kann es sein, dass Billig-Saugroboter ohne jeden Makel sind, während einzelne Aspekte weitaus höherpreisiger Geräte offen kritisiert werden, Billig-Geräte mehr Sterne erhalten als mehrfach teurere Geräte?

Hersteller wie die chinesische Firma Laresar wollen sich nicht offensichtlich nicht auf die Gunst ihrer Kunden verlassen – sie haben eine neue Masche gefunden und wenden sich an Kundinnen und Kunden, die ihre Saugroboter schlecht bewerten. Dagegen wäre zunächst überhaupt nichts zu sagen: Von Kritik können Unternehmen lernen, um ihre Produkte nachzubessern. Die in Shenzen ansässige Firma Laresar hat jedoch vor allem ein Interesse: Die negative Bewertung soll entfernt werden – diese Erfahrung machte ich, nachdem ich von ähnlichen Fällen anderer Hersteller gelesen hatte.

5-Sterne-Bewertungen gegen Geld und Zuwendungen: So werden unzufriedene Amazon-Kunden geködert

Nancy vom Kundensupport des „kleinen Markenverkäufers“ entschuldigt sich bei mir in etwas steifem Deutsch „für jegliche Unannehmlichkeiten, die durch unsere Produkte verursacht wurden“. Das Gerät hatte ich zuvor als Retoure zurückgeschickt, meine Erfahrung mit dem Gerät sachlich auf der Amazon-Seite als Bewertung zurückgelassen. Offenherzig räumt Nancy ein, dass solche negativen Bewertungen „sehr ernsten Einfluss auf unsere Links“ haben – gemeint sind die Verkäufe über Amazon und andere Verkaufsplattformen.

So schreibt Nancy vom Kundensupport unzufriedene Kunden an, die auf Amazon eine kritische Produktbesprechung zurückgelassen haben: „Wie wäre es, wenn wir Ihnen den vollen Betrag zurückgeben“ - und das Gerät könne man trotzdem behalten.
So schreibt Nancy vom Kundensupport unzufriedene Kunden an, die auf Amazon eine kritische Produktbesprechung zurückgelassen haben: „Wie wäre es, wenn wir Ihnen den vollen Betrag zurückgeben“ - und das Gerät könne man trotzdem behalten.Screenshot privat

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnten sie die Bewertung bitte entfernen? Als Dankeschön für Ihre Hilfe und Ihr Verständnis werde ich Ihnen einen 30€-Gutschein…zusenden.“ 30 Euro dafür, eine kritische Rezension zu entfernen? Würden Sie sich darauf einlassen oder sich dagegen verwahren? Vielleicht geht es Ihnen so wie mir, Sie wundern sich und reagieren nicht.

Saugroboter für umsonst? Die Gratis-Masche auf Amazon hat einen Preis

Doch Laresar lässt nicht locker. Einige Wochen später bittet Nancy um „eine weitere Chance“: Ich soll mir einen Saugroboter für 139,99 Euro bei Amazon aussuchen, diesen mit 5 Sternen bewerten – sobald ich einen Screenshot dieser Jubel-Rezension einschicken würde, könne ich mit der Rückerstattung des vollen Preises rechnen und könne das Gerät erhalten. Ein Saugroboter quasi für umsonst; einziger Preis wäre die Mühe, eine begeisterte Rezension auf der Amazon-Seite zu hinterlassen.

Die Kundin hat immer noch angebissen? Der Kundensupport legt noch einen drauf: Bestellen Sie sich einen teureren Staubsauger - das Geld gibt's aber nur gegen den Screenshot einer 5-Sterne-Bewertung zurück.
Die Kundin hat immer noch angebissen? Der Kundensupport legt noch einen drauf: Bestellen Sie sich einen teureren Staubsauger - das Geld gibt's aber nur gegen den Screenshot einer 5-Sterne-Bewertung zurück.Screenshot privat

Das Problem: das Gerät ist ziemlich genau das, das ich wegen mangelnder Leistung bereits an Amazon zurückgeschickt hatte. Dennoch wäre der eine oder die andere wohl versucht, auf ein solches, unanständiges Angebot einzugehen. Statt dies auch nur zu erwägen, antworte ich Nancy, dass ich gerne bereit wäre, ein deutlich besseres Gerät der Firma zu testen – stelle jedoch klar, dass eine Rezension auch mögliche Mängel erwähnen würde.

Nancy nennt mir ein der Beschreibung nach leistungsstärkeres und etwas teureres Gerät der Firma, das ich quasi geschenkt bekommen könnte. Doch die Kondition ist klar: eine Rückerstattung des Kaufbetrages erfolgt nur gegen den Screenshot einer 5-Sterne-Rezension. Es handelt sich offensichtlich um den Versuch, Bestbewertungen gegen eine erhebliche Sachleistung (Preis 229,99€) zu erhalten – die keinesfalls kritische Kundenrezensionen sind.

Amazon kämpft gegen 250 Millionen Euro „Fake Reviews“ – und gibt dafür 700 Millionen Euro aus

Ich konfrontiere Amazon mit dem Fall. Dem Unternehmen sind seit Jahren systematische Versuche, die Bewertungsfunktion der Verkaufsplattform zu manipulieren bekannt. Amazon betreibt sogar massiven Aufwand, offensichtlich falsche Produktbewertungen aufzuspüren und zu löschen. 2023 unterband Amazon nach eigenen Angaben sage und schreibe 250 Millionen „Fake Reviews“. Wie massiv die Welle der oftmals KI-gestützten Manipulationsversuche ist, verdeutlicht der Abgleich mit der Gesamtzahl von Kundinnen, die laut Amazon eine oder mehrere Produktrezensionen zurückgelassen haben: 100 Millionen waren dies.

Der Aufwand, den das Unternehmen betreibt, um die Authentizität der Rezensionen sicherzustellen, ist immens: Gegen Betrugsversuche sind KI und Mitarbeitende im Dauereinsatz, dafür investiert Amazon Medienberichten zufolge jährlich über 700 Millionen Euro. Gegen 150 Anbieter in den USA, China und Europa ging Amazon bereits rechtlich vor, so eine Sprecherin.

Amazon hält Kampf gegen „Fake Reviews“ für erfolgreich – das droht Rezensionsbetrügern

Dieser enorme Aufwands hält Online-Händler allerdings auch nicht davon ab, sehr dreiste Manipulationen von Bewertungen zu versuchen – wie im Fall von Laresar. Eine Amazon-Sprecherin verweist jedoch auf „robuste Richtlinien, mit denen Rezensionsmissbrauch radikal unterbunden werde. Bei Betrugsversuchen drohen „vorübergehende Sperre, einen dauerhaften Ausschluss oder rechtliche Schritte“. Doch die Sprecherin gibt sich überzeugt, dass der Kampf gegen die Rezensionsbetrüger sehr erfolgreich sei: „Im Jahr 2023 enthielten mehr als 99% der in unserem Store angesehenen Produkte ausschließlich authentische Bewertungen.“

Wie sollte man sich verhalten, wenn eine Rezension offensichtlich gefälscht ist – oder wenn man ein Angebot zu einer vergüteten Jubelrezension erhält? Die Amazon-Sprecherin fordert Betroffene dazu auf, bei der Rezension auf den Link „Missbrauch melden“ zu klicken. „Amazon prüft jede dieser Meldungen schnell, damit wir entsprechende Maßnahmen ergreifen können.“ ■

Liebe Kurier-Leserinnen und -Leser, haben Sie ähnliche Erfahrungen mit anderen Anbietern gemacht? Was denken Sie über diese Masche? Diskutieren Sie gerne mit und schreiben Sie uns eine Mail an leser-bk@berlinerverlag.com !