Union-Kolumne

Vom Wert der Null: Der 1. FC Union findet ohne viele Tore in die Spur

Dank der zurückgewonnenen Abwehrstärke kommen die Eisernen dem Klassenerhalt immer näher.

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Nullnummern-Meister: Danilho Doekhi, Torwart Frederik Rönnow und Kevin Vogt (v.l.) haben derzeit allen Grund für gute Laune.
Nullnummern-Meister: Danilho Doekhi, Torwart Frederik Rönnow und Kevin Vogt (v.l.) haben derzeit allen Grund für gute Laune.Andreas Gora/dpa

Wer die Weisheit predigt, dass hinten erst einmal die Null zu stehen hat, wird oft als Kaputtmacher des Fußballs abgetan. Destruktiv sei ein solcher Plan. Der Suppe fehle das Salz. Vor allem wird die Kreativität bekämpft. Die Künstler werden in die Mangel genommen, in ihrem Freigeist eingeschränkt und in ein taktisches Korsett gequetscht. Angeblich. Die andere Meinung dazu heißt ungefähr so: Nur jene Spielweise ist gut, die zum Erfolg führt. Man frage bei Otto Rehhagel nach und nach dem, was heute Matchplan heißt, mit dem Griechenland 2004 Europameister geworden ist. Oder bei Nenad Bjelica, wie es der 1. FC Union zuletzt zu einem Punktgewinn bei Eintracht Frankfurt gebracht hat.

Unfassbare 21 Spiele in Folge kassierte der 1. FC Union immer ein Tor

Das Wort Catenaccio hat es längst in den Duden geschafft, es hat seinen Schrecken jedoch verloren. Keiner mehr kann diese Art der Verteidigungstechnik als derart modern vermitteln wie die Italiener in den Tiefen der 1960er-Jahre unter Helenio Herrera, als ein 1:1 bereits als torreiches Spiel galt und sich die angebliche Torflut niemand erklären konnte. Eines nur ist geblieben und galt zuvor schon: Wer gewinnen oder mindestens einen Punkt holen will, sollte auf eine stabile Abwehr bauen. So wie die Köpenicker eben bei ihrem jüngsten 0:0.

Genau das war die Krux der Eisernen im Herbst vorigen Jahres. Abgesehen vom 4:0 zum Auftakt der Saison im DFB-Pokal gegen den FC-Astoria Walldorf, der als Tabellendreizehnter auch in der Regionalliga Südwest nicht für Schrecken sorgt und noch längst nicht aller Abstiegssorgen ledig ist, hat es eine Ewigkeit gedauert, bis die Null hinten auch die Nachspielzeit überdauert hat. Genau 21 Spiele waren es, 14 in der Liga, sechs in der Champions League und eines im Pokal. Vier davon, um Punkte in Heidenheim, in Europas Königsklasse bei Real Madrid und zu Hause gegen Neapel, dazu das im Pokal beim VfB Stuttgart, gingen mit dem knappsten aller Ergebnisse in die Binsen.

Inzwischen ist einiges anders geworden. Nicht dass die Köpenicker plötzlich ihren Torriecher wiederentdeckt hätten. Das kann bei 25 Treffern und einem Schnitt pro Spiel unter eins noch dauern. Deshalb kommt es auf die Abwehr an. Es ist keine Kunst, darauf zu kommen. Eine Kunst ist es dafür, es in die Beine zu kriegen und vor allem in die Köpfe.

Andererseits gehört auch eine Portion Glück dazu, seine Haxen immer dort zu haben, wo sie gerade am nötigsten sind. Als Christopher Trimmel in Frankfurt in einer schier aussichtslosen Situation vor zwei Gegenspielern quasi mit der Hacke rettete, hätte er sechs Monate zuvor eher ein Eigentor verursacht. Als kurz darauf erneut zwei Eintracht-Angreifer fast auf der Torlinie darauf lauerten, dem Ball den letzten leichten Stupser zu verpassen, rauschte Danilho Doekhi heran und kratzte die Kugel mit seinem rechten Fuß weg. Damals, als nichts klappte und sogar die Selbstverständlichkeiten in die Hose gingen, hätte hinten alles andere gestanden, nur nicht die Null.

Mit der Null-Diät klettert der 1. FC Union in der Tabelle Rang um Rang

Plötzlich aber, das macht die Sache mit dem Kampf um den Klassenerhalt deutlich leichter, geht es auch mit nur einem – 1:0 gegen Darmstadt, Wolfsburg und bei der TSG Hoffenheim – oder keinem Törchen – neben der Nullnummer bei der Eintracht gab es unmittelbar nach der Winterpause eine in Freiburg – ein wenig nach oben. In den zehn Spielen der Rückrunde gehören die Eisernen, was die Anzahl der Tore angeht, mit Mainz und Darmstadt mit jeweils acht Buden zum gemeinsamen Schluss-Trio. Das grenzt tatsächlich an Null-Diät. Mit ihrer zurückgewonnenen Defensivstärke nehmen sie es indes aktuell mit fast allen auf. Zehn Gegentore nur haben sie zugelassen. Lediglich Tabellenführer Bayer Leverkusen – der Fast-Meister kommt am Sonnabend zum Gastspiel in die Alte Försterei – und München-Bezwinger Borussia Dortmund sind mit sieben besser. Die Bayern haben, das zum Auf-der-Zunge-zergehen-lassen, in dieser Phase bereits 18 Stück kassiert. Und auch sie müssen noch nach Köpenick …

Die Lehren daraus sind nicht schwer zu ziehen. Vor allem in einer Spielzeit wie der aktuellen, in der die Leichtigkeit in vielen Phasen bleierne Flügel bekommen hatte. Man denke nur an zwei wichtige Partien der jüngeren Vereinshistorie, an das Relegation-Rückspiel am 27. Mai 2019 gegen Stuttgart mit dem Aufstieg in die Bundesliga und das Saisonfinale 2023 gegen Werder Bremen mit dem Sprung in die Champions League. Beide Male stand hinten, klaro, die Null. ■