Nach fast 61 Jahren Fußball-Bundesliga gibt es, was die Karrieren mancher Spieler angeht, die verrücktesten Geschichten. Manche sind einmalig, andere nicht wiederholbar, dritte wiederum traumhaft, einige dafür nicht erstrebenswert. Es gibt Klaus Fichtel, der für Schalke und für Werder Bremen das Trikot anzog, im Alter von 43 Jahren, sechs Monaten und zwei Tagen seinen letzten Auftritt hatte und der älteste jemals eingesetzte Spieler ist. Youssoufa Moukoko war 16 Jahre und einen Tag, als er für Borussia Dortmund sein Debüt feierte. Richard Kreß, der zur Premiere 1963 für Eintracht Frankfurt auflief, zählte da schon 38 Jahre, fünf Monate und 18 Tage. Es gibt Karl-Heinz „Charly“ Körbel, der ebenfalls für die Hessen die Schuhe schnürte und es auf 602 Spiele brachte. Es gibt Gerd Müller, der für die Bayern mit 365 Toren die meisten erzielte.
Und es gibt Jakob Busk.
Bei Jakob Busk und dem 1. FC Union steht die Null
Andernorts wissen sie nicht einmal, dass dieser Däne irgendwo unter Vertrag steht. Käme es zu einem Quiz, würden ihn die meisten nicht beim 1. FC Union verorten. Eigentlich mit gar keinem Verein. Schließlich hat der inzwischen 30-jährige Schlussmann so gut wie nie gespielt. Zumindest in den vergangenen sechs Jahren nicht. Nicht einmal im Pokal, erst recht nicht international und auch nicht in der Bundesliga. Bei ihm steht die bei Torhütern beliebteste Ziffer: die Null. Nur eben nicht bei Gegentoren. Sondern bei Einsätzen.

Mit nichts kann dieser Kerl glänzen. Trotzdem ist er in Köpenick eine Institution und fast schon eine lebende Legende.
Jakob Busk wurde beim 1. FC Union zur Legende
Als Busk vor etwas mehr als acht Jahren vom FC Kopenhagen kam, stand ihm die Welt des Fußballs offen. Schnell verdrängte er Daniel Haas als Nummer 1, hatte nach der erfolgreichen Qualifikation für Olympia mit Danish Dynamite den Traum von Rio und den, seine Karriere zumindest ein wenig anzustoßen. Nur musste er da schon erfahren, dass es auch geplatzte Träume gibt.
Trotzdem ist der Schlussmann noch immer da. Nicht mehr lange, der gemeinsame Weg geht am Ende dieser Saison nun doch zu Ende. Am Beispiel des Dänen sollte aber auch dem Letzten klar werden, dass es in diesem Business doch Wichtigeres zu geben scheint als ein Leben zwischen Meistertraum und Abstiegsangst. Freunde zum Beispiel und ein angenehmes Arbeitsklima. Auch Respekt gehört dazu und jede Menge Verständnis für den Nebenmann. Gegenseitige Achtung sowieso. Egal ob auf dem Trainingsplatz, auf der Ersatzbank, in der Kabine oder im alltäglichen Miteinander.
1. FC Union für Jakob Busk eine „zweite Familie“
Manchmal werden die Eisernen als hoffnungslose Romantiker verspottet. Die Erzählung von der verschworenen rot-weißen Gemeinschaft löst bei manchen ein hämisches Rollen mit den Augen aus. Busk sieht das komplett anders. Er war da, um neuen Spielern die Eingewöhnung zu erleichtern. Sie konnten sich an seinen kräftigen Schultern anlehnen. Als aber er und seine Frau für ihren Sohn ärztliche Hilfe brauchten, konnten sie sich als Eltern auf Unterstützung von allen Seiten verlassen. „Ich habe hier Freunde und eine zweite Familie gefunden“, sagt Busk. Zudem hätten „meine Mitspieler, die Mitarbeiter und die Fans die Zeit bei Union zu etwas ganz Besonderem gemacht“.
Ist es Zufall, dass so etwas gerade dort passiert, wo das Anders-Sein zur Vereinsphilosophie gehört? Wo die Werte über das Sportliche hinausgehen? Wo der Zusammenhalt unabhängig von der Ligazugehörigkeit ein hohes Gut ist? Wo, wie im Fall von Jakob Busk, die menschliche Wärme über die Coolness im gegnerischen Strafraum triumphiert? Es passiert vor allem auch dann, wenn das Herz den Kopf besiegt.
Kehrt Jakob Busk nochmal zum 1. FC Union zurück?
Acht Jahre sind eine verdammt lange Spanne. Manchmal schon die Hälfte der Zeit, die man als Fußballprofi für seinen Sport hat. Es könnte ja sein, dass Jakob Busk sich den Traum von der Ersten Liga anderswo doch noch erfüllt. In seiner Heimat vielleicht oder anderswo in Europa. Wenn einer derart viel Ausdauer und Selbstdisziplin hat, sich im Training auch dann in die Bälle zu werfen, obwohl feststeht, dass, wenn die Tiefstrahler angehen, der Konkurrent die Handschuhe überstreift, ist es ihm von Herzen zu gönnen.
Auch ein anderes Szenario ist vorstellbar, eine spätere Rückkehr. Integrationsbeauftragter könnte die Rolle sein, sie einem wie ihm auf den Leib geschneidert wäre. Denn eines sollten sie ihm beim Abschied unbedingt mit auf den Weg geben: Von Union geht man niemals ganz. Vor allem nicht, wenn man Jakob Busk heißt.