Union-Kolumne

In zehneinhalb Wochen: Beim 1.FC Union hat sich viel gedreht

Seit dem 1:0 in Greifswald ist beim 1. FC Union vieles anders geworden. Die Eisernen spielen wieder ganz zur Freude in Köpenick Union-like.

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Unions Stürmer Yorbe Vertessen (r.) trifft zum 1:0 gegen Lorenz Hollenbach vom Greifswalder FC. 
Unions Stürmer Yorbe Vertessen (r.) trifft zum 1:0 gegen Lorenz Hollenbach vom Greifswalder FC. Andreas Gora/dpa

Konrad Adenauers inzwischen zum Bonmot erklärter Spruch „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“ trifft nicht nur auf die Politik zu. Auch wenn er dort selbst sieben Jahrzehnte später besonders populär zu sein scheint. Dabei sind, gerade was die Führung von Staaten und Völkern angeht, Visionen, Strategien, Zukunftsdenken gefragt. Das wird meist vergessen und hier und da lieber verbrannte Erde hinterlassen. Oft ist der Tag entscheidend, nicht das Morgen oder das Übermorgen und schon gar nicht die nächste Legislaturperiode.

Wer böswillig ist, kann das auch auf den Sport projizieren. Man wird den Eindruck nicht los, dass zumindest Fußball auf hohem Niveau mehr und mehr zu einem Tagesgeschäft geworden ist. Der schnelle Erfolg soll, meist muss er her. Alles andere wird als Zeichen von Schwäche ausgelegt. Eine Entwicklung Schritt für Schritt, weil sie dienlicher und nachhaltiger sowieso ist, wird zwar allerorten gutgeheißen und, wenn es irgendwo mal klappt, schöngeredet, nur macht ein gewisser Grad an Erfolg trunken und die Ansprüche werden gravierend andere. Genau das, mögen das viele anders sehen, hat auch der 1. FC Union in der vorigen Spielzeit dramatisch erfahren.

Siegen allein reicht dem 1. FC Union nicht

Umso erfreulicher ist das, was derzeit im Stadion An der Alten Försterei passiert. Nehmen wir nur die zehneinhalb Wochen zwischen der ersten und der nun zweiten Runde im DFB-Pokal, die die Eisernen zu Drittligist Arminia Bielefeld führt. Damals stand ein maues, ein zittriges, ein mühsames 1:0 beim Greifswalder FC, bei dem sich der Regionalligist die deutlich klareren Chancen erspielte und den Ausgleich nur deshalb verpasste, weil ein Schuss von Soufian Benyamina an die Latte klatschte. Amüsiert war Bo Svensson über die Art und Weise des Sieges nicht, eher angefressen, als er damals sagte: „Ein Sieg hilft immer. Wir müssen aber auch Leistung bringen. Aber unsere Leistung war nicht besonders gut.“ Manchem schwante schon ein ähnliches Szenario wie im Jahr zuvor.

Davon sind die Rot-Weißen vier Siege, drei Unentschieden und nur eine Niederlage später weit entfernt. Zwar flutscht es vor des Gegners Kasten noch immer nicht richtig, werden die neun Saisontore nur durch Aufsteiger St. Pauli (7) und Schlusslicht Bochum (5) unterboten, dafür aber ist die Defensive mit lediglich fünf Gegentoren nach der der Leipziger (3) die zweitbeste. Das ist, um ein Lieblingswort von Christopher Trimmel zu verwenden: Union-like.

Union-Trainer Bo Svensson (2.v.r) klatscht nach dem Sieg in Greifswald mit Yorbe Vertessen ab.
Union-Trainer Bo Svensson (2.v.r) klatscht nach dem Sieg in Greifswald mit Yorbe Vertessen ab.Andreas Gora/dpa

Die Defensive des 1. FC Union ist wieder Union-like

Wie schnell es auch andersherum gehen kann, war ausgerechnet in Greifswald zu beobachten. Hätte jemand darauf gewettet, dass der dortige Trainer Lars Fuchs keine zwei Monate später beurlaubt wird und zuvor schon für Sportchef David Wagner das Aus kam, hätte gut Reibach machen können. Unter Markus Zschiesche, einem ehemaligen Spieler des 1. FC Union, stottert es am Bodden noch immer. 18 Punkte schon liegen die Greifswalder hinter Tabellenführer Lok Leipzig zurück. Den Aufstieg in die Dritte Liga, den sie ausgerufen hatten, können sie sich getrost abschminken.

Dafür, dass es im Fußball des Öfteren ein Hü und ein Hott gibt, ist Arminia, Pokalgegner der Eisernen, abgesehen vom damaligen Bundesligaskandal, den die Bielefelder als Haupttäter zu verantworten haben, das womöglich markanteste Beispiel im deutschen Elite-Fußball. 2009 stiegen die Ostwestfalen nach fünf Jahren aus der Bundesliga ab, 2011 schon spielten sie nur noch drittklassig. Nach der Rückkehr 2020 in die Erstklassigkeit ging es nach zwei Spielzeiten im Schweinsgalopp zurück in die Niederungen: 2022 Abstieg in die 2. Bundesliga, 2023 Durchmarsch in die Dritte Liga. Da wird das Gemüt eines Fans auf eine hammerharte Probe gestellt.

Doch zurück zum damaligen Bundeskanzler. Der zweite Teil des Adenauerspruchs wird, damit es ja auch knallt, bei einseitigen Ausführungen wie so oft meist vergessen. Der nämlich lautet: „Nichts hindert mich daran, klüger zu werden.“ Es scheint angesichts von 15 Punkten und Tabellenrang 4 in der Bundesliga, dass sie in Köpenick seit Greifswald deutlich klüger geworden sind. Vor allem haben sie dank anständiger und seriöser Arbeit und eines Trainers, der wie einst Urs Fischer zu ihnen passt, viel dazugelernt. Völlig unabhängig vom Ausgang des Spiels heute Abend in Bielefeld.

Dabei sollten sie niemals vergessen: Gerade Pokal ist am schönsten, wenn man gewinnt. ■