Der EM-Aufreger

Holland-Wut wegen Abseitstor – für Ex-Schiri Gräfe war es eine Fehlentscheidung

Die EM hat ihr erstes 0:0, weil Schiri Taylor einen Tor für Holland gegen Frankreich nicht gab. Doch war es wirklich Abseits? 

Author - Wolfgang Heise
Teilen
Die Zoff-Szene der EM: Hollands Xavi zieht ab und trifft. Frankreichs Keeper wurde nicht die Sicht behindert und Hollands Dumfries (r.) behindert auch nicht den Keeper. Trotzdem wurde das Tor wegen angeblichen Abseits aberkannt.
Die Zoff-Szene der EM: Hollands Xavi zieht ab und trifft. Frankreichs Keeper wurde nicht die Sicht behindert und Hollands Dumfries (r.) behindert auch nicht den Keeper. Trotzdem wurde das Tor wegen angeblichen Abseits aberkannt.Imago Images/ANP

Die EM hatte eine doppelte Premiere: Die erste Nullnummer des Turniers beim 0:0 zwischen Frankreich und Holland. Und der erste echte Schiri-Aufreger. Der englische Pfeifenmann Anthony Taylor (45) hatte ein Tor des Niederländers Xavi Simons erst gegeben, dann wieder aberkannt - wegen einer angeblichen Abseits des Stürmers Denzel Dumfries. Holland tobt vor Wut - und das völlig zurecht!

Es war die Szene des Turniers, die noch lange für Diskussion sorgen wird. In der 69. Minute zog RB-Leipzig-Profi Xavi Simon aus 14 Metern ab. Dumfries stand in dem Moment in Abseitsposition anderthalb Meter links neben Frankreichs Keeper Mike Maignan. Die Abseitsregel besagt, dass es entweder eine Sichtbehinderung geben muss oder ein aktives Eingreifen wie eine Behinderung des Keepers geben muss, sonst ist es kein Abseits, sondern ein Tor. 

Schiedsrichter Antony Taylor hält per Funk KOntakt mit dem VAR, Hollands Torschütze Simons schaut verzweifelt zu.
Schiedsrichter Antony Taylor hält per Funk KOntakt mit dem VAR, Hollands Torschütze Simons schaut verzweifelt zu.Imago Images/Pro Sport

Schiri Taylor gab erst den Treffer, doch sein Linienrichter hatte die Abseitsfahne gehoben. Dann schaltete sich der VAR zur Überprüfung der Szene an. Es dauerte unendlich lange! Das entscheidende tat Taylor nicht: Sich einfach noch mal die Videosequenz selbst anschauen. Spätestens da wäre ihm klar geworden, dass sein Linienrichter aus seinem Blickwinkel einfach gar nicht genau beurteilen konnte, ob Dumfries behindert hat. Maignan machte nur eine resignierende Bückbewegung in Richtung Dumfries, als der Ball schon an ihm vorbeigerauscht war.

Bondscoach Koeman: „Das war ein legales Tor“

Bondscoach Ronald Koeman war nach dem Abpfiff bedient, aber noch ruhig und sagte nur: „Ich persönlich denke, dass das Tor hätte zählen müssen. Die Position von Dumfries ist abseits, das ist richtig, aber er stört den Torwart nicht. Daher ist es legal.“ Dann legte Koeman doch nach: „Ich habe den Schiri gefragt und er hat gesagt, dass es Abseits ist. Aber ich habe das Video gesehen, danach war ich der Meinung, dass es ein gültiges Tor war. Seitdem habe ich meine Meinung dazu, aber die bleibt in der Umkleidekabine.“ Koeman wollte sich nicht den Mund wegen Taylor verbrennen...

Was Koeman noch mehr aufregte, war die Dauer bis zur endgültigen Aberkennung des Tores: „Du brauchst fünf Minuten, um das zu prüfen, das verstehe ich nicht.“ Die Diskussionen um die bisher fragwürdigste Schiri-Entscheidung bei der EM gehen weiter. Es war die berühmte Ermessungsentscheidung. Für den ehemaligen deutschen Schiedsrichter Manuel Gräfe war die Sache klar und er twitterte sein Unverständnis über Taylor: „Abseits an sich faktisch und allein für den VAR. Aber hier geht es um die Bewertung, ob er eingreift, und das ist Sache des Schiedsrichters! Mindestens hätte er es sich selbst anschauen müssen! Der Torwart hätte meiner Meinung nach den Ball auch so nicht erreicht und reagiert erst, als er vorbei ist.“

Ex-Schiri Gräfe: „Taylor hätte es sich selbst anschauen müssen“

Dieser Meinung hatten auch viele andere - europaweit, nicht nur in Holland. Im englischen Fernsehen sagte Ex-Profi Wayne Rooney: „Ich denke, es ist ein Tor. Das sollte auf keinen Fall verboten werden.“ Die englische Legende Gary Lineker erklärte, dass Maignan „nicht behindert“ wurde. Und ging sogar noch weiter und war der Meinung,  dass der Torwart den Ball erreicht hätte, wenn er abgetaucht wäre - auch mit Dumfries neben sich. Auch der Spanier Cesc Fabregas kritisierte Taylor scharf: „Ich stelle den Schiedsrichter ein wenig in Frage. Der VAR hätte ihn rufen müssen, um die Aktion zu überprüfen.“ Eines ist auf alle Fälle klar: Auch die Schiedsrichter werden noch lange diskutieren, wie sie es beim nächsten Mal besser machen können. ■