Der klare KURIER-Kommentar

700-Millionen-Trikottausch des DFB: Habeck und die deutsche Arroganz

Wirtschaftsminister Robert Habeck und andere Politiker kritisieren den DFB wegen des Ausrüsterwechsels. Es ist eine Diskussion mit falscher Richtung.

Author - Wolfgang Heise
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Wirtschaftsminister Robert Habeck kritisiert den DFB-Ausrüsterdeal mit Nike und spricht von Standortpatriotismus.
Wirtschaftsminister Robert Habeck kritisiert den DFB-Ausrüsterdeal mit Nike und spricht von Standortpatriotismus.Future Image/Imago

Der DFB hat es gewagt. Nach 70 Jahren wird nicht mehr Adidas der Ausrüster sein, sondern der weltgrößte Sportartikelhersteller Nike aus den USA. 100 Millionen Euro pro Jahr von 2027 bis 2034. Das sind 700 Millionen Euro für einen Trikottausch. Der DFB kassiert doppelt so viel wie von Adidas. Das ist Kapitalismus. Tschüs, Tradition.

Mit den drei Streifen wurde Deutschland 1954 das erste Mal Weltmeister. Es folgten drei weitere WM- und drei EM-Titel mit diesen Siegertrikots. Es ist Nostalgie und viel Emotion bei dem Stück Stoff dabei. Dass es in drei Jahren in die Altkleidersammlung geschmissen wird, darüber kann man herrlich streiten: Geld oder Werte, was ist wichtiger?

Doch was macht Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) denn da? Er feuert die Emotionen der Fans an und schreibt: „Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen. Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht.“

Ich würde sagen: ein Stück deutscher Sentimentalität, die aber beim Kontakt mit der Realität zusammenbricht. Adidas hat seinen Firmensitz in Herzogenaurach, ist auch an der deutschen Börse notiert. Doch es ist ein weltweit operierendes Unternehmen mit ausländischen Aktionären. Darunter auch das umstrittene Finanzunternehmen Blackrock aus den USA. Die Produktionsstandorte wurden seit den 80er-Jahren massiv in asiatische Billiglohnländer wie Indonesien verlagert. Mehr als zwei Drittel der Schuhe und Textilien werden in Fernost hergestellt.

Was hat das mit Standortpatriotismus zu tun? Es hat eher mit dem Gefühl im westdeutschen Nachkriegsdeutschland zu tun. 1954: Weltmeister, Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik. Wir sind wieder wer! Was früher Stolz war, ist aber 70 Jahre später zur fatalen deutschen Arroganz geworden. Die nicht erkennen will, dass andere Länder besser sind. Deutschland hat hinsichtlich technischer Entwicklungen, die wirtschaftlich erfolgreich sind, in vielen Bereichen den Anschluss verloren.

Ach ja, Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär (früher als Staatssekretärin zuständig für digitale Infrastruktur) erbosten sich via X (früher Twitter) ebenfalls über den Trikottausch. Kleiner Tipp: In welches Smartphone haben Sie die Buchstaben eingetippt? Es war höchstwahrscheinlich nicht das eines deutschen Herstellers, denn die haben gerade mal Exotenstatus auf dem Handymarkt.

Fußball war in Deutschland schon immer ein Vorreiter bei gesellschaftlichen Entwicklungen. Der DFB kassiert nicht nur mehr Millionen. Diese Entscheidung ist ein Weckruf, damit nicht noch mehr verschlafen wird ... ■