Nino de Angelo (60) hat Blut geleckt. Im vergangenen Jahr ging der Schlager-Star auf seine erste richtige Tour und hatte damit mächtig Erfolg. Deshalb gibt es in diesem Jahr ein paar zusätzliche Open-Air-Termine – am 26. Juli tritt er in Oranienburg auf. Mit dem Berliner KURIER spricht Nino de Angelo über sein Comeback als Sänger, die lebenslangen Depressionen und seine bisher einzige Reality-TV-Erfahrung.
Nino de Angelo: Die guten Vorsätze brechen auch manchmal ein
Berliner KURIER: Herr de Angelo, die Tour im vergangenen Jahr war so erfolgreich, dass Sie dieses Jahr ein paar Open-Air-Termine dranhängen.
Nino de Angelo: Ich hätte nicht gedacht, dass sie so erfolgreich wird. Es war ja meine erste große Tour mit Band. Ich habe mir immer eine Tour gewünscht und war ein bisschen traurig darüber, dass es nicht schon früher geklappt hat. In den letzten Jahren war ich aber gebeutelt mit Krankheiten und allen möglichen privaten Problemen. Darunter hat dann auch die Arbeit gelitten und ich habe sehr viel Zeit verloren. Wäre es nach mir gegangen, wäre ich auch gerne schon damals bei „Jenseits von Eden“ auf Tour gegangen. Aber dann wurde ich vom Bund eingezogen und hinterher brach der Erfolg erst mal ein. So eine Tour setzt Erfolg aber voraus. Man muss einige Alben verkauft haben, sonst wird es schwierig mit dem Ticket-Verkauf. Deshalb war eine Tour nicht früher zu realisieren, sondern erst mit dem Erfolg von „Gesegnet & verflucht“. Dafür bin ich aber jetzt umso glücklicher über die Open-Air-Termine. Nach 37 Jahren noch einmal ein Comeback hinzulegen, ist schwer, aber die Ausnahme bestätigt die Regel.
Haben Sie sich Sorgen gemacht, dass Sie wegen Ihrer gesundheitlichen Probleme einer Tour nicht standhalten können?
Ich hatte schon Bammel, ob ich das mit meiner COPD hinkriege. Aber auf der Bühne hat man so viel Adrenalin, das pusht einen richtig. Ich habe nicht eine Sekunde an die COPD gedacht und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass mir die Luft fehlt. Ich habe mich ja aber auch dementsprechend darauf vorbereitet, habe wenig Alkohol getrunken, mich gesund ernährt und abgespeckt. Das ist wie ein Wettkampf. Man kann nicht von der Couch aufstehen und sofort auf die Bühne gehen.

Brechen die guten Vorsätze trotzdem manchmal ein?
Gute Frage. Das Ganze bricht schon ab und zu ein. Gerade im Winter – wir haben im Allgäu lange Winter –, wenn es so kalt, trüb und regnerisch ist, falle ich in eine Art Winterdepression. Da helfen auch keine Medikamente mehr. Ich hatte schon als Kind mit Depressionen zu kämpfen. Bei mir ist es ja genetisch bedingt. Das macht mir schon zu schaffen. Deswegen überlegen wir auch, ein paar Hundert Kilometer weiterzuziehen, nach Italien. Aber richtig auswandern wäre das nicht. Von Italien aus wäre ich dann schnell wieder in Deutschland. Ich will ja mindestens noch fünf Jahre arbeiten.
Fünf Jahre sind Ihr Plan?
Das ist der nächste Step und dann schauen wir mal, was die Gesundheit sagt. Man weiß ja nie. Im Alter kann es plötzlich passieren, dass man die Spätfolgen von all den Krankheiten, Chemotherapien und Bestrahlungen merkt. Ich kann und will jetzt nicht für die nächsten zehn Jahre planen, das wäre nicht realistisch. Wenn ich noch fünf Jahre arbeiten kann, ist es für mich ein großes Glück.
Sie haben eben die Depressionen in der Kindheit erwähnt. Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie schon in so jungen Jahren depressiv waren?
Mit 30 ungefähr. Ich war bei verschiedenen Psychotherapeuten und habe versucht, das aufzuarbeiten und zu verstehen, woher das kommt. Vor 15 Jahren habe ich mit der medikamentösen Behandlung begonnen. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, damit man nicht so in ein dunkles Loch fällt. Die Medikamente nehme ich seitdem jeden Tag und die brauche ich auch dringend. Wenn man einmal Psychopharmaka genommen hat, ist es schwer, die wieder abzusetzen.
Sie sind im Dezember 60 geworden. Wie geht es Ihnen damit?
Mir ist plötzlich bewusst geworden, wie die Zeit rennt und dass ich mich jetzt im letzten Drittel meines Lebens befinde – oder noch weniger. Man schaut mit ein bisschen Wehmut zurück auf sein Leben und denkt: Auf der einen Seite bin ich noch mal gut davongekommen, auf der anderen Seite frage ich mich, was ich hätte alles besser machen können? Wenn ich doch früher angefangen hätte, mich intensiver mit meiner Karriere zu beschäftigen, wäre das ein oder andere noch besser gelaufen. Dass ich die Zügel viel früher selbst in die Hand hätte nehmen sollen. Das habe ich jetzt bei meinem Comeback ja schließlich auch geschafft. Ich habe gesagt, ich mache das jetzt so, wie ich es will und keiner quatscht mir rein – das hat funktioniert. Aber man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Man kann nur einfach versuchen, mit dem zufrieden zu sein, was man hat, und das Beste aus der Zeit zu machen, die einem noch bleibt.

Einmal Reality-TV – und nie wieder?
Einige Jahre vor Ihrem Comeback haben Sie es mal mit Reality-TV versucht und waren bei „Promi Big Brother“. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?
Nun ja, es gab eine Menge Kohle dafür und zur damaligen Zeit habe ich die dringend gebraucht. (lacht) Ich glaube, ich habe viele Menschen positiv damit überrascht, dass ich authentisch war und auf alles geschissen habe. (lacht) Viele haben aber auch gesagt: „Wie kann man sich so benehmen?“ Ich habe richtig polarisiert und daran hatte ich Geschmack gefunden. Früher war das beim Schlager so, dass man eine weiße Weste haben musste. Irgendwann habe ich festgestellt, dass das nicht zu mir und meinem Leben passt. Ich bin halt so ein Mensch, wenn ich mit fremden Menschen auf engstem Raum zwei Wochen lang zusammen bin, muss ich auch mal Dampf ablassen. Die anderen waren nicht immer ehrlich, hatten zwei Gesichter, vorne haben sie einem ins Gesicht gelächelt und hintenrum bekam man den Mittelfinger gezeigt. Mit Verlogenheit komme ich nicht klar. Ich war wahrscheinlich zu naiv, weil ich geglaubt habe, da würde alles ehrlich zugehen. Aber es gab so was wie ein Drehbuch. „Big Brother“ schrieb die Intrigen vor. Man wurde in den Interviewraum bestellt und bekam etwas gesagt, was man nicht erzählen durfte. Die anderen bekamen aber auch etwas gesagt. Es wurden Intrigen gesponnen.
Als Zuschauer hat man sich von Ihnen gut unterhalten gefühlt, aber Sie haben auch für eine Menge skurrile Momente gesorgt. Zum Beispiel, als sie mit einer Papiertüte namens Rudi gesprochen und bitterlich geweint haben. War das alles echt oder manchmal ein bisschen Show?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich gebe zu, als ich die Papiertüte gebastelt habe, war mein erster Gedanke, ich brauche jetzt hier einen Freund, denn bei den anderen Kandidaten hatte ich keinen. Deswegen dachte ich mir, ich bastle mir wie bei „Cast Away“ einen Freund und das war der Rudi. Dahinter steckte natürlich Kalkül. Aber als es dann dramatisch wurde und ich – natürlich auch unter Einfluss von Alkohol – geweint habe, das war echt.
Würden Sie noch einmal in ein Reality-TV-Format gehen?
Das war ein einmaliger Ausflug. Ich habe es heute auch finanziell nicht mehr nötig und bin froh darüber. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich mich noch mal darauf einlassen würde, wenn ich finanzielle Nöte hätte. Aber ich denke, ich habe mit meinem Comeback dafür gesorgt, dass das nicht passiert. (lacht) Wenn ich nicht muss, mache ich es auch nicht. ■