BDSM ist spätestens seit dem Buch „50 Shades of Grey“ und der gleichnamigen Verfilmung im Mainstream angelangt. Trotzdem haben nur wenige eine genaue Vorstellung, was das überhaupt bedeutet. Ist BDSM nur Masken, Leder und Peitsche? Was geht da eigentlich genau hinter verschlossenen Türen ab – und sind das alles nur Perverse? KURIER hat bei Judith Langer, Sexologin und Kommunikationsmanagerin beim JOYclub, nachgefragt, und hat Antworten auf die Fragen, die Sie sich nicht trauen, zu stellen.
Dominante Männer, unterwürfige Frauen – oder nicht?
BDSM ist mehr als nur eine einzige Sache. Selbst der Name sagt das schon: Er ist ein mehrschichtiges Akronym aus „Bondage & Disziplin“, „Dominance & Submission“ (deutsch: Dominanz und Unterwerfung) und „Sadismus & Masochismus“. Dementsprechend viel fällt darunter.
„Das Faszinierende an BDSM ist, dass es unglaublich facettenreich ist“, erklärt Judith Langer. Zu BDSM zählt also, klar, auch die Peitsche, aber dazu kann eben auch schon gehören, wer im Bett gerne dominant ist. Mit welchen Aspekten von BDSM sich Menschen identifizieren, ist ganz unterschiedlich, aber tendenziell gibt es doch mehr Männer, die beim Sex dominant sind als Frauen.
So identifizieren sich laut Umfragen unter JOYClub-Mitgliedern 77,2 Prozent der Frauen mit Submission (gegenüber 47,9 Prozent, die sich mit Dominanz identifizieren – dabei gibt es natürlich immer Überschneidungen, weil Dominanz und Submission für manche Menschen situationsabhängig sind). Männer identifizieren sich währenddessen zu 82,1 Prozent mit Dominanz und nur zu 42,6 Prozent mit Submission.
Das heißt aber nicht, dass beim BDSM-Sex nur gesellschaftlichen Erwartungen entsprochen wird. Judith Langer erklärt: „Ein Aspekt beim Einstieg in BDSM ist mitunter auch, dass auf den ersten Blick gesellschaftliche Vorstellungen und Fantasien nur bedingt zusammenpassen: Die Feministin, die sich gerne den Hintern versohlen lässt. Der Mann, der Schmerzen spüren will. Die Frau, die gern einen Strap-on trägt und ihr Gegenüber erniedrigt. Die persönliche Auseinandersetzung mit diesen vermeintlichen Widersprüchen kann Kraft und Nerven kosten und zugleich sehr befreiend sein.“

BDSM fängt für die meisten in der Fantasie an
Es kommt zwar nicht jeder als geborener BDSM-Praktizierender auf die Welt, aber aus dem Nichts kommt die Neigung auch nicht. Der JOYClub-Umfrage zufolge hat so jeder Zweite (48 Prozent) BDSM für sich entdeckt, nachdem er oder sie schon vorher eine (sehr) lebendige Fantasie hatte und neugierig war. Weitere 43,5 Prozent sind der Umfrage nach über einen Partner zu der Praxis gekommen oder aber (seltener) über das Stöbern oder den Austausch in Communitys (23,1 Prozent).
Dazu, wie die Fantasie dann in die Praxis umgewandelt wurde, erklärt Langer: „Mit beispielsweise einer erfahrenen Person an der Seite geht dieser Schritt sicherlich leichter. Aber gelingt ebenso, wenn ein Paar gerne exploriert und Neues ausprobiert“. Das geschieht für viele schon relativ früh. Laut JOYClub-Umfrage haben die meisten (39,2 Prozent) ihre ersten Erfahrungen vor ihrem 25. Lebensjahr gemacht.
Mit Dauer der Zeit erweitert sich für viele dann der Horizont sukzessive, weswegen Lernen für viele als besonders wichtig erachtet wird, so Langer: „Für die meisten Praktizierenden steht BDSM laut Umfrage entsprechend auch für lebenslanges Lernen. Dabei sind neben Sicherheitsaspekten vor allem Vertrauen zueinander und eine offene, ehrliche Kommunikation wichtig.“
Je mehr Menschen also in die Materie eintauchen, desto mehr Möglichkeiten und Interessen tun sich auf. Das heißt aber nicht, dass der sogenannte „normale“ Sex dadurch auf der Strecke bleibt. Das macht Judith Langer ebenfalls klar: „Ob dann auf längere Sicht BDSM den „normalen“ Sex ersetzt oder eine von vielen Möglichkeiten ist, sich lustvoll auszuleben, das ist individuell“. ■