Nicht nur jüngere Menschen glauben, mit der Sexualität habe man im Alter abgeschlossen. „Sex? Dafür bin ich doch zu alt!“ hört man nicht selten schon von Menschen, die die 60 überschritten haben. Doch Sexualforscher und nicht zuletzt natürlich viele Senioren wissen: Sex ist ein lebenslanges Thema. Doch was bedeutet das? Und noch wichtiger: Wie kann man im Alter ein erfüllendes Sexualleben haben?
Sex im Alter: Ein Tabuthema
Wer an Sex denkt, der hat häufig junge, schöne Menschen im Kopf – wie im Film halt. Aber das Leben ist kein Film. Klaus Beier, Sexualwissenschaftler an der Berliner Charité, zufolge, haben rund ein Drittel aller Männer und Frauen ab 65 Jahren noch Geschlechtsverkehr. Diese Zahl kann man getrost höher ansetzen, wenn es um Sexualleben im Allgemeinen geht. Schließlich umfasst Intimität und Zärtlichkeit mehr als der einfache Koitus.
Die Idee, dass Sex ein Ablaufdatum hat, sorgt dafür, dass es bei älteren Generationen zum Tabuthema wird und dadurch, dass Sex im Alter weniger erfüllend ist oder gar nicht mehr stattfindet. Das muss nicht sein. Doch das heißt nicht, dass der Sex, den man mit 80 hat, derselbe ist wie der, den man mit 20 hat. Mit dem Alter kommen oft auch psychische und körperliche Probleme ins Spiel.
Wenn der Körper nicht mehr mitmacht
Dass sich der Körper im Alter verändert, und das auch Auswirkungen auf die Sexualität hat, das ist nicht abzustreiten. Die Gelenke sind nicht mehr das, was sie mal waren, Krankheiten verursachen oft Schmerzen. Chronische Erkrankungen verlangen Medikamente, die die Lust mindern und die sexuelle Leistungsfähigkeit beeinflussen.
Bei Männern kommt es im Alter häufiger zu Erektionsstörungen in verschiedenen Varianten. Die Prostata wächst, was auf die Blase drückt und dadurch das Urinieren verkompliziert. Sowohl Männer als auch Frauen erleben im Alter hormonelle Veränderungen, die die Lust auf Sex beeinflussen, Frauen dabei stärker als Männer. Die Hormonumstellung der Wechseljahre sorgt dafür, dass die Scheide an Dehnungsfähigkeit verliert, die Durchblutung schwächer wird, und es dadurch länger dauert, feucht zu werden.

Sex im Alter ist eine Sache der Psyche – und der Kommunikation
All das sind natürlich Hindernisse, wenn auch keine, die unmöglich zu überwinden sind. Die richtige Stellung, ein Kissen am richtigen Ort oder auch einfaches Gleitgel können körperliche Probleme leicht ausgleichen. Das eigentliche Problem, sagt Professor Michael Vogt von der Hochschule Coburg, ist psychischer Natur: Bedürfnisse verändern sich, und Paare sprechen nicht darüber. „In einer Welt, in der es um Erfolge geht, ist es schwer, sich nackt und verletzlich zu zeigen. Auch für die Jungen“, so Vogt, der zu Partnerschaft und Sexualität im Alter forscht. „Aber bei älteren Menschen ist es ausgeprägter. Sie haben oft nicht gelernt, eigene Dinge zur Sprache zu bringen.“
Ist Sex das Geheimnis eines langen Lebens?
Dann kann man es auch gleich sein lassen, denken Sie? Klar, wenn Sie kein Bedürfnis nach Sex verspüren. Doch Sexualität im Alter hat auch wissenschaftlich erwiesene Vorteile. Sie bringt uns nicht nur unserem Partner näher, sondern hält auch gesund und sorgt so für ein langes Leben. Sex stärkt das Immunsystem, baut Stress ab, wirkt schmerzlindern, kräftigt das Herz-Kreislauf-System und senkt damit das Herzinfarktrisiko.
Damit das gesunde Ausdauertraining auch anschlägt, empfehlen Ärzte zwei Orgasmen pro Woche. Die können natürlich auch anders erreicht werden als durch den klassischen Geschlechtsverkehr. Ob mit Fingerfertigkeit oder durch orale Stimulation – auch mit körperlichen Einschränkungen lässt es sich zum Höhepunkt kommen. Notfalls halt alleine. ■