Noch immer laufen die Proteste der Bauern, erst am Montag soll der vorläufige Höhepunkt der aktuellen Demo-Welle erreicht sein. Doch schon jetzt ist klar: Es gibt breite Unterstützung für die Landwirte – und zwar aus allen Bereichen. Aber: Wie weit darf Protest gehen? Momentan sorgt ein Zahnarzt im niedersächsischen Werlte für Wirbel: In einem Aushang heißt es, in der Praxis würden nur Patienten behandelt, die „gegen die Regierung sind“. Aber: Darf ein Mediziner die Behandlung aufgrund politischer Meinungen ablehnen?
Zahnarzt will Patienten ablehnen, die die Regierung gut finden
Laut einem Bericht der „noz“ veröffentlichte die Zahnarztpraxis im Whatsapp-Status das Bild eines Aushangs, auf dem die Botschaft zu lesen ist: In der Praxis finde eine „Aktionswoche gegen die unsinnige Politik der Regierung“ statt. „Aus Solidarität mit unseren Landwirten und aus Protest gegen die realitätsferne Politik der Regierung behandeln wir vom 08.01. – 15.01. nur Patienten die ebenfalls gegen diese Regierung sind“, heißt es dort. Und weiter: „Alle anderen wenden sich bei Zahnschmerzen bitte an ihre politischen Vertreter.“
Eine klare Botschaft., die nun für reichlich Wirbel sorgt. „Dass mich so viele Reaktionen darauf erreichen, damit hätte ich nicht gerechnet“, sagte Zahnmediziner Dr. Arnold Dröge, der die Praxis mit einem Kollegen leitet, gegenüber der „noz“. Auf Facebook wurde ein Bild des Aushangs unter anderem auf einer Seite geteilt, die sich gegen Rassismus einsetzt. Hier sind die Reaktionen eindeutig. „Das ist standesrechtlich Rechtsbruch“, schreibt ein Nutzer. „Am besten Direktanzeige an die zuständige Zahnärztekammer.“ In einem anderen Kommentar heißt es, ein solcher Aushang sei ein guter Grund, den Zahnarzt zu wechseln.
Ein #Zahnarzt, der vor der Behandlung erst eine #Gesinnungsabfrage macht.
— Rantanplan (@RantanplanSVW) January 10, 2024
Wie genau ist das mit diesem Eid vereinbar, den Ärzte ablegen? #Bauernprotest #Generalstreik #fckafd #LautgegenLinks #LAUTgegenRechts #Gesichtzeigen #Remigration #Bauern #AfDVerbotjetzt #Correctiv pic.twitter.com/xcVHu6NV6p
Aber: Darf ein Zahnarzt aufgrund einer politischen Einstellung die Behandlung verweigern? In einem Bericht der „Bild“-Zeitung äußert sich dazu Dr. Lutz Riefenstahl von der Zahnärztekammer Niedersachsen. „Es besteht in Deutschland keine allgemeine Behandlungspflicht“, kommentiert er den Aushang. „Bei einem akuten Zustand, einem Notfall oder Schmerzen, darf eine Patientin oder ein Patient jedoch nicht abgewiesen werden.“
In Interviews rudert der Zahnarzt zurück: „Jeder wird behandelt“
Auch Zahnarzt Dröge rudert indes zurück: Der „noz“ sagte er, der Aushang sei vor allem als symbolische Unterstützung für die Landwirte zu sehen. „Natürlich wird weiter jeder Patient behandelt“, sagt er, auch wenn es auf dem Plakat ein ganzes Stück anders klingt. „Es findet keine Gewissenskontrolle statt. Ebenso wenig wird hier einer nach dem Parteibuch gefragt.“
Zudem wolle er damit darauf aufmerksam machen, dass Zahnärzte ähnliche Probleme wie die Landwirte hätten. Mit Inkrafttreten des Finanzstabilisierungsgesetzes würden Gelder, etwa für neue Behandlungsmethoden, nicht mehr zur Verfügung gestellt. Dröge sieht dadurch die Patientenversorgung in der Zahnmedizin gefährdet. Er spricht von Budgetkürzungen von bis zu 30 Prozent. „Unser Fass ist auch am Überlaufen! Das betrifft aber auch alle Mediziner in der Allgemeinen Medizin oder in den Krankenhäusern“, sagte er gegenüber „Bild“. „Nur unsere Kollegen sind immer sehr leise.“ ■