Streit um den Staatshaushalt

Präsident lenkt ein – Kriegsrecht in Südkorea soll wieder aufgehoben werden

Der Präsident von Südkorea hatte überraschend das Kriegsrecht ausgerufen. Die politische Lage in dem Land wurde dramatisch. Was passiert dort gerade?

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Menschen versammeln sich vor der Nationalversammlung, um den Rücktritt des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol zu fordern.
Menschen versammeln sich vor der Nationalversammlung, um den Rücktritt des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol zu fordern.Kim Do-hoon/Yonhap/AP/dpa

Kehrtwende in Südkorea: Präsident Yoon Suk Yeol hat angekündigt, das von ihm verhängte Kriegsrecht in dem ostasiatischen Land wieder aufzuheben. Yoon sagte in einem TV-Auftritt, dass sich das Militär zurückgezogen habe und das Kabinett bald tagen werde.

In den Stunden zuvor hatten sich die Nachrichten zur politischen Situation in dem asiatischen Land überschlagen. Der Grund: Staatschef Yoon Suk Yeol hatte vor dem Hintergrund eines Streits über den Staatshaushalt mit der Opposition überraschend das Kriegsrecht ausgerufen. Er begründete die Maßnahme in einer am Dienstag live übertragenen Fernsehansprache mit dem Schutz vor Nordkorea. Das Parlament in Seoul wurde am Dienstagabend abgeriegelt, Soldaten drangen in das Gebäude ein, Hubschrauber landeten auf dem Dach.

Alle politischen Aktivitäten seien untersagt, erklärte der Befehlshaber des Kriegsrechts, Park An Su. Alle Medien und Publikationen würden der Kontrolle des Kriegsrechtskommandos unterliegen. Vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich hunderte Menschen und demonstrierten gegen die Ausrufung des Kriegsrechts. „Verhaftet Yoon Suk Yeol“, skandierten sie.

Darum rief der Präsident von Südkorea das Kriegsrecht aus

Yoon argumentierte, die Opposition habe ohne jede Rücksicht auf das „Auskommen“ der Bevölkerung die Regierung „gelähmt“. „Um ein liberales Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen zu schützen und um anti-staatliche Elemente zu eliminieren (...), rufe ich hiermit das Kriegsrecht aus“, sagte er. Der Präsident nannte keine konkreten Bedrohungen. Die beiden Bruderstaaten befinden sich jedoch seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell nach wie vor im Kriegszustand. Die Beziehungen beider Länder befinden sich derzeit auf einem Tiefpunkt.

Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol kommt zu einer Pressekonferenz im Präsidialamt.
Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol kommt zu einer Pressekonferenz im Präsidialamt.KIM HONG-JI/Pool Reuters/AP/dpa

Yoon rief das Kriegsrecht inmitten eines Streits seiner PP-Partei mit der größten Oppositionskraft Demokratische Partei über das Haushaltsgesetz für kommendes Jahr aus. Die Abgeordneten der Opposition, die im Parlament die Mehrheit haben, hatten vergangene Woche nur eine deutlich abgespeckte Fassung des Haushaltsentwurfs im zuständigen Parlamentsausschuss gebilligt. Das Parlament sei „ein Zufluchtsort für Kriminelle geworden, ein Hort für eine legislative Diktatur, die das juristische und administrative System lähmen und unsere liberale demokratische Ordnung stürzen will“, sagte Yoon in seiner Ansprache dazu.

Er warf der Opposition vor, Gelder für die Kernaufgaben des Staates wie etwa die Bekämpfung der Drogenkriminalität und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zusammenzustreichen und damit einen „Zustand des Chaos bei der öffentlichen Sicherheit“ zu schaffen.

190 Abgeordnete gelangten später in der Nacht in das Parlamentsgebäude und votierten einstimmig für die Aufhebung des Kriegsrechts, wie Parlamentspräsident Woo Won Shik mitteilte. Die südkoreanische Verfassung sieht vor, dass das Kriegsrecht aufgehoben wird, wenn eine Mehrheit im 300 Sitze fassenden Parlament dies verlangt. Das Militär erklärte einem Rundfunkbericht zufolge jedoch, es werde das Kriegsrecht solange aufrechterhalten, bis dies vom Präsidenten aufgehoben werde.

Staatschef Yoon Suk Yeol lenkte ein und kündigte wenige Stunden nach der überraschenden Ausrufung des Kriegsrechts an, die Maßnahme wieder zurückzunehmen. „Soeben hat die Nationalversammlung die Aufhebung des Ausnahmezustands gefordert, und wir haben das Militär abgezogen, das für den Einsatz unter Kriegsrecht eingesetzt war“, erklärte Yoon am Mittwoch (Ortszeit) in einer Fernsehansprache. Die vor dem zeitweise abgeriegelten Parlament versammelten Demonstranten begrüßten die angekündigte Aufhebung mit großem Jubel.

Militärfahrzeuge sind von Polizeibeamten vor der Nationalversammlung umgeben.
Militärfahrzeuge sind von Polizeibeamten vor der Nationalversammlung umgeben.Lee Jin-man/AP/dpa

Die USA äußerten „große Besorgnis“ über die Entwicklungen in Südkorea und forderten eine Lösung, die der „Rechtsstaatlichkeit“ folgt. „Ich möchte betonen, dass unser Bündnis mit der Republik Korea in Stein gemeißelt ist und wir Korea in dieser Zeit der Unsicherheit zur Seite stehen“, sagte der stellvertretende Außenminister Kurt Campbell unter Verwendung des offiziellen Namens Südkoreas. Ein Sprecher der Vereinten Nationen erklärte, die UNO verfolge die Entwicklungen in Südkorea „sehr genau und mit Sorge“.

China, ein wichtiger Verbündeter Nordkoreas, wies seine in Südkorea weilenden Bürger an, Ruhe zu bewahren. Auch Russland, ein weiterer Unterstützer Pjöngjangs, nannte die Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea „besorgniserregend“. Großbritannien erklärte, die Geschehnisse „genau zu beobachten“. Das Auswärtige Amt in Berlin riet deutschen Staatsbürger, politische Versammlungen in Südkorea zu meiden.

Kriegsrecht ausgerufen – was bedeutet das?

Der Begriff „Kriegsrecht“ bezeichnet eine außergewöhnliche rechtliche und administrative Maßnahme, die von einem Staat oder einer Regierung in Zeiten extremer Krisen, wie Krieg, Aufständen oder schwerwiegenden Bedrohungen der öffentlichen Ordnung, eingeführt wird. Das Kriegsrecht gibt den Behörden weitreichende Befugnisse, die über die regulären verfassungsmäßigen und rechtlichen Normen hinausgehen. Es bedeutet häufig die Einschränkung oder Suspendierung grundlegender Rechte und Freiheiten der Bevölkerung, um die Stabilität und Sicherheit im Land zu gewährleisten.

Das Kriegsrecht wird in der Regel von der Exekutive, oft durch die Regierung oder den Präsidenten, ausgerufen. Es kann landesweit oder in bestimmten Regionen gelten. Typische Merkmale des Kriegsrechts umfassen:

Militärische Kontrolle: Zivilbehörden werden durch militärische Führer ersetzt oder untergeordnet. Das Militär übernimmt Aufgaben, die normalerweise Polizei oder zivilen Institutionen obliegen.

Einschränkung von Grundrechten: Bürgerrechte wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und Bewegungsfreiheit können eingeschränkt oder vollständig ausgesetzt werden.

Aussetzung von Gesetzen: Normale gesetzliche Verfahren und Rechte, wie etwa das Recht auf einen fairen Prozess, können außer Kraft gesetzt werden. Militärgerichte oder Sondergerichte treten an die Stelle ziviler Gerichte.

Ausgangssperren und Kontrolle des öffentlichen Lebens: Bewegungen der Bevölkerung werden streng kontrolliert. Ausgangssperren, Versammlungsverbote und die Überwachung öffentlicher Räume sind häufige Maßnahmen.

Konfiszierung und Mobilisierung: Die Regierung kann Eigentum beschlagnahmen oder Ressourcen mobilisieren, um die Kriegsanstrengungen oder die öffentliche Sicherheit zu unterstützen.

Das Kriegsrecht ist ein umstrittenes Instrument. Kritiker sehen es oft als Mittel, um politische Macht zu missbrauchen und autoritäre Kontrolle zu festigen. Es birgt das Risiko, dass Grundrechte dauerhaft außer Kraft gesetzt werden und demokratische Strukturen beschädigt werden. Ein Beispiel hierfür ist, wenn eine Regierung das Kriegsrecht nutzt, um gegen politische Gegner vorzugehen, anstatt tatsächliche Bedrohungen zu bewältigen. Auch die Ausweitung der Befugnisse des Militärs kann zu Machtmissbrauch führen, da militärische Führer oft nicht für ihre Entscheidungen demokratisch rechenschaftspflichtig sind. ■