Wer schon mal an einem Wochenende in die Notaufnahme eines Krankenhauses musste, weiß, was einen dort erwartet: Stundenlange Wartezeiten, überlastete Ärzte und Pflegekräfte – Patienten werden im akuten Krankheitsfall oft nicht ideal versorgt. Das soll sich jetzt ändern: Der KURIER erklärt die Notfallreform von Karl Lauterbach (SPD).
Patienten mit akuten Beschwerden sollen künftig weit seltener in der Notaufnahme eines Krankenhauses behandelt werden. Ziel einer groß angelegten Notfallreform soll sein, dass die Hilfesuchenden bereits am Telefon oder vor Ort im Krankenhaus verstärkt in eine nahe Praxis geschickt werden. Viel stärker als bisher sollen Versicherte auch direkt telemedizinisch betreut werden. Lauterbach verspricht: Insgesamt sei eine „große Reform“ geplant, mit „einem unfassbar großen Potenzial, Geld zu sparen und gleichzeitig die Versorgung zu verbessern“.
Heute sind die Notfallambulanzen häufig überfüllt – Ärzteorganisationen beklagen seit Jahren, dass vor allem am Wochenende dort auch viele Menschen mit leichteren Beschwerden vorstellig würden. Lauterbach erläutert, 25 bis 30 Prozent der Fälle in Notfallambulanzen könnten auch in Arztpraxen behandelt werden.
Neue Zentren mit angeschlossenen Praxen: Die Notaufnahmen sollen künftig in neuen integrierten Notfallzentren aufgehen. Pro 400.000 Einwohner solle es ein Zentrum geben, kündigt Lauterbach an. Zu diesen Zentren soll auch je eine ambulante Notdienstpraxis in unmittelbarer Nähe gehören. Die Einschätzung, wo die Patienten versorgt werden, soll an einem sogenannten gemeinsamen Tresen stattfinden.
In Kern ziele die Reform darauf ab, dass die Patienten dort behandelt werden, wo es am besten und schnellsten gehe, so Lauterbach. „Das muss nicht immer das Krankenhaus sein“, sagt der SPD-Politiker. „In vielen Fällen ist die notdienstliche Akutversorgung sehr viel sinnvoller.“ Häufig genüge auch der Besuch der Hausarztpraxis am nächsten Tag.
Verbindung von 116, 117 und 112: Die unter der Rufnummer 116 117 erreichbaren Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen sollen ausgebaut werden. Sie sollen mit den unter 112 erreichbaren Rettungsleitstellen vernetzt werden. So soll es künftig egal sein, welche der beiden Nummern man wählt. Patienten sollen dort dann eine Ersteinschätzung bekommen, wohin sie gehen sollen. Wählt ein Notfallpatient die 116 117, soll er beispielsweise auch auf diese Weise einen Krankenwagen geschickt bekommen können.

Leichte Fälle ohne Arztbesuche: Auch Telemedizin soll ausgebaut werden, wie Lauterbach erläutert. Wenn der Arzt telefonisch oder per Video einen Praxis- oder Klinikbesuch als nicht nötig erachtet, dann sollen so auch ein elektronisches Rezept oder eine elektronische Krankschreibung ausgestellt werden können. Der Behandlungsfall könne dann abgeschlossen werden, ohne dass Betroffene außer Haus gehen müssten, so Lauterbach.
Reformgesetz soll 2025 gelten: Auch die neuen Notfallzentren sollen sich mit den Terminservicestellen vernetzen. So soll es möglich sein, dass man dort direkt Termine für eine Weiterbehandlung angeboten bekommt. Die Reform solle in der ersten Jahreshälfte im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden und ab Anfang 2025 gelten.
Ärzte fordern mehr Geld, um die Reformen zu finanzieren
Ärzte fordern zusätzliches Personal: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin, in deren Räumen Lauterbach seine Vorschläge vorstellte, bewertete die Pläne positiv. „Für mehr Leistungen sind mehr Ressourcen erforderlich“, mahnte der KV-Vorsitzende Burkhard Ruppert allerdings. Zusätzliches Personal und ausreichende Finanzierung seien nötig.
Der während der Corona-Pandemie bekannt gewordene Intensivmediziner Christian Karagiannidis forderte Tempo bei der geplanten Reform. „Schaut man sich an, wer in die Notaufnahmen in Deutschland kommt, dann zeigt sich, dass dort extrem viele 80- bis 90-Jährige hinkommen“, sagte Karagiannidis der Ärzte-Zeitung. Häufig stehe bei ihnen mehr ein Versorgungsproblem im Vordergrund als eine schwere Erkrankung. ■