Mehr als 400 Festnahmen

Alexej Nawalny: Seine Mutter sucht die verschwundene Leiche

Nach dem Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny scheint dessen Leiche zunächst unauffindbar zu sein. Hunderte Trauernde wurden festgenommen.

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Der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist tot. Seine Leiche ist offenbar verschwunden.
Der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist tot. Seine Leiche ist offenbar verschwunden.Alexander Zemlianichenko/dpa

Wie seine Sprecherin Kira Jarmysch am Samstag auf der Plattform X berichtete, konnten Nawalnys Mutter und dessen Anwalt im Leichenschauhaus der Stadt Salechard, knapp 50 Kilometer vom Straflager Charp im Norden Russlands, keine Spur vom Leichnam entdecken.

Das Leichenschauhaus sei geschlossen, und über die am Eingang ausgehängte Kontakt-Telefonnummer sei der Anwalt auch nicht zu einer zufriedenstellenden Antwort gekommen. „Ihm wurde gesagt, dass er bereits der siebte Anrufer an diesem Tag sei“, schrieb Jarmysch. „Und der Leichnam Alexejs befinde sich nicht bei ihnen im Leichenschauhaus.“

Nawalnys Leichnam soll sich in der Stadt Salechard zur Untersuchung befinden

Ein Mitarbeiter des Straflagers jenseits des Polarkreises habe zuvor mitgeteilt, dass sich Nawalnys Leichnam in der Stadt Salechard zur Untersuchung befinde, teilte Jarmysch mit. Demnach konnte die Mutter die Leiche zunächst nicht identifizieren.

Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja war in das Straflager im Norden Russlands gereist und habe dort die Todesnachricht erhalten. Der Tod des 47-Jährigen soll demnach am Freitag, 16. Februar um 14.17 Uhr Ortszeit (10.17 Uhr MEZ) eingetreten sein. Zuvor hatte bereits der russische Strafvollzug über Nawalnys Tod informiert, der seit 2021 inhaftiert war.

Trauer in Russland - und Hunderte Festnahmen

In Russland trauerten zahlreiche Menschen trotz Festnahmen und Drucks der Behörden um den Kremlgegner. In Moskau und anderen Städten räumten Männer in Zivil und Mitarbeiter der Stadtreinigung spontan errichtete Erinnerungsstätten, packten Blumen in Mülltüten, sammelten Kerzen und Bilder ein.

Medien in vielen Teilen Russlands berichteten, dass trotzdem weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder aufgestellt wurden. Das Bürgerrechtsportal „Ovd-Info“ schrieb am Samstagabend, dass mehr als 400 Anhänger Nawalnys in 36 Städten festgenommen worden seien, darunter auch in Moskau und St. Petersburg.  Das Portal listete zugleich auch die Namen der Festgenommenen auf.

„Angst des Machtapparats vor einem Toten“

Vielerorts wurden trotz Räumungsaktionen und Festnahmen weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt. Auch im Ausland gab es zahlreiche Kundgebungen zum Gedenken an den Kremlgegner, so auch in Berlin, meistens vor diplomatischen Vertretungen Russlands.

„Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird“, schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow, am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram.

Nawalny war nach Darstellung russischer Behörden am Freitag bei einem Hofgang im Straflager in Charp bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen und gestorben. Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. In Russland geht der Kreml immer wieder mit Gewalt gegen Andersdenkende und Oppositionelle vor. Politische Proteste werden in dem Land schon seit Jahren nicht mehr erlaubt.■