Der wochenlang vermisste Kremlgegner Alexej Nawalny hat sich nach seiner Ankunft in dem berüchtigten Straflager Polarwolf im hohen Norden Russlands erleichtert gezeigt. „20 Tage auf Etappe waren ziemlich anstrengend, aber meine Stimmung ist trotzdem ausgezeichnet“, teilte der 47-Jährige in einem am Dienstag in sozialen Netzwerken veröffentlichten Brief mit.
„Auf Etappe“ bezeichnet in Russland die Verbringung von Gefangenen in ein Straflager. Nawalnys Team hatte am Montag darüber informiert, dass der Gegner von Kremlchef Wladimir Putin nach langer Suche von einem Anwalt in dem Lager IK-3 in Charp am Polarkreis gefunden worden sei.
Nawalny: „Ich bin euer neues Väterchen Frost “
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich hier jemand vor Mitte Januar findet“, teilte Nawalny mit. Er bedankte sich bei seinem Team aus Juristen und Unterstützern, das ihn seit Wochen in verschiedenen Untersuchungsgefängnissen und Straflagern gesucht hatte. „Mir geht es gut“, schrieb er. „Ich bin heilfroh, dass ich endlich angekommen bin.“ Nawalny war auf Umwegen 20 Tage unterwegs in das Straflager im hohen Norden Russlands. Er habe nicht damit gerechnet, dass man ihn vor Mitte Januar finde.
„Deshalb war ich sehr überrascht, als mir gestern die Zellentür mit den Worten geöffnet wurde: ‚Ein Anwalt ist hier, um Sie zu sehen.‘ Er sagte mir, dass Sie mich verloren hätten, und einige von Ihnen waren sogar besorgt. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!“

Die russischen Behörden hatten keine Angaben zu Nawalnys Verbleib gemacht, nachdem er das vorherige Straflager im Gebiet Wladimir rund 260 Kilometer von Moskau entfernt Anfang Dezember verlassen hatte. Das für seine brutalen Haftbedingungen berüchtigte Straflager Polarwolf ist mehr als 2000 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Die schwer zugängliche Region ist für ihren Permafrostboden bekannt.
„Ich bin euer neues Väterchen Frost“, schrieb Nawalny launig mit Blick auf die am Wochenende beginnenden Neujahrsferien in Russland. Väterchen Frost, der russische Weihnachtsmann, übergibt am 31. Dezember die Geschenke. Er habe sich in den 20 Tagen seiner Reise durch Russland in die kalte Dunkelheit der arktischen Region auch einen Bart wachsen lassen, berichtete Nawalny. „Statt Ho-Ho-Ho sage ich aber Och-Och-Och“, meinte der Politiker, der auch nach fast drei Jahren Haft immer wieder Humor zeigt.
Er könne leider noch nicht mit Geschichten über Polarexoten dienen, weil „ich außerhalb der Zelle noch nichts gesehen habe. Und außerhalb des Zellenfensters kann ich nur den Zaun sehen, der sehr nah ist. Ich habe auch einen Spaziergang gemacht. Der Hof ist eine Nachbarzelle, ein bisschen größer, mit Schnee auf dem Boden. Und ich sah einen Konvoi, nicht wie in Zentralrussland, sondern wie in den Filmen – mit Maschinengewehren, warmen Handschuhen und Filzstiefeln. Und mit denselben schönen, flauschigen Schäferhunden.“ ■