Vor Beginn der Gerichtssitzung, bei der Alexander M. verurteilt wurde, nimmt ihm ein Justizwachtmeister die Handschellen ab.
Vor Beginn der Gerichtssitzung, bei der Alexander M. verurteilt wurde, nimmt ihm ein Justizwachtmeister die Handschellen ab. dpa/Andreas Arnold

Im Prozess um die „NSU 2.0“-Drohschreiben ist der vorbestrafte Angeklagte (54) am Donnerstag zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Nach Auffassung der Richter am Frankfurter Landgericht hatte der aus Berlin stammende Mann eine Serie hasserfüllter und rassistischer Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens gerichtet, vornehmlich Frauen.

In seinem sogenannten „letzten Wort“ hatte der Angeklagte Alexander M. erneut alle Vorwürfe zurückgewiesen. Die Tatvorwürfe gegen ihn hätten sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt, sagte er und warf der Staatsanwaltschaft Lügen und Manipulationen vor, die keine Grundlage für eine Verurteilung seien. Die Ermittlergruppe wolle ihn mit ihren Ergebnissen „um jeden Preis fertigmachen“ und die Polizei entlasten.  

Angeklagter behauptete, er sei „reingelegt“ worden

Wie bereits in seinem Plädoyer gab der aus Berlin stammende Angeklagte zu, Mitglied einer Chatgruppe im Darknet gewesen zu sein, weshalb auf seinem Computer Teile der Drohschreiben gefunden worden seien. Die Mitglieder der Gruppe hätten ihn aber „systematisch reingelegt“. Dass er die Schreiben verfasst habe, sei nicht nachweisbar. Für die Mitgliedschaft entschuldigte sich M. in seinem Schlusswort.

Das Gericht folgte aber der Staatsanwaltschaft, die den arbeitslosen IT-Techniker M. als Verfasser von insgesamt 81 Drohschreiben ansieht: Per E-Mail, Fax oder SMS waren sie an Rechtsanwälte, Politikerinnen, Journalistinnen und andere Vertreter des öffentlichen Lebens gerichtet und mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren.

Todesdrohungen gegen Maybrit Illner, Jan Böhmermann, Nancy Faeser

Die Serie der Drohschreiben vorwiegend gegen Frauen hatte im August 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie begonnen. Später traf es unter anderem die heutige Linke-Vorsitzende Janine Wissler, die Berliner Kabarettistin Idil Baydar, die jetzige Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Journalistin Maybrit Illner, der TV-Satiriker Jan Böhmermann und der damalige hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).

Polizisten standen unter Verdacht, mit dem Hetzer gemeinsame Sache gemacht zu haben

Lange Zeit stand in dem Fall die hessische Polizei selbst unter Verdacht, weil die geheimen Daten der Betroffenen von Computern der Polizei abgerufen worden waren. Lange gingen die Ermittler von einem ganzen Netzwerk von Rechtsextremisten mit Kontakten in die Polizei hinein aus. Diese Daten soll sich M. jedoch telefonisch erschlichen haben, indem er sich als Behördenmitarbeiter ausgab.

Der Absender „NSU 2.0“ spielt auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) an. Die Staatsanwaltschaft hält den Angeklagten auch für Bombendrohungen gegen Gerichte verantwortlich und hatte siebeneinhalb Jahre Haft unter anderem wegen Beleidigung und versuchter Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung gefordert.