Kanzlerkandidat wackelt

Doch Pistorius? SPD macht Druck auf Olaf Scholz – tritt er zurück?

Umfragewerte für Scholz alarmierend schwach. In der Partei wächst die Unzufriedenheit. Aus der Basis kommen immer lautere Forderungen nach Pistorius.

Author - Michael Heun
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Viele in der SPD fordern inzwischen offen Boris Pistorius statt Olaf Scholz als Kanzlerkandidat.
Viele in der SPD fordern inzwischen offen Boris Pistorius statt Olaf Scholz als Kanzlerkandidat.Christian Charisius/dpa

Die SPD steht unter Strom: Wird Olaf Scholz der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten bleiben oder übernimmt Verteidigungsminister Boris Pistorius das Ruder? Die Diskussion um die Personalfrage gewinnt an Fahrt, denn die Umfragewerte für Scholz bleiben alarmierend schwach. Innerhalb der Partei wächst die Unzufriedenheit – und aus der Basis kommen immer lautere Forderungen nach einem Wechsel.

Während Scholz als Kanzler einer unpopulären Bundesregierung zunehmend an Rückhalt verliert, punktet Pistorius bei den Bürgern und sogar über Parteigrenzen hinaus. Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge wünschen sich 66 Prozent der Deutschen den Verteidigungsminister als Kanzlerkandidaten der SPD. Scholz hingegen kommt nur auf magere 18 Prozent. Besonders drastisch: Selbst unter SPD-Anhängern sprechen sich 67 Prozent für Pistorius aus, während Scholz lediglich 27 Prozent unterstützen kann.

Die SPD-Basis rebelliert

Pistorius gilt als zugänglich, führungsstark und sympathisch – Qualitäten, die viele in Scholz vermissen. Besonders deutlich wird das bei der Frage nach Vertrauen und Führungsstärke, wo Pistorius mit 65 beziehungsweise 64 Prozent weit vor Scholz liegt, der gerade einmal 35 und 14 Prozent erreicht.

Der Ruf nach einem Wechsel kommt vor allem aus der Parteibasis. Der SPD-Unterbezirk Bochum, Teil der mächtigen NRW-SPD, warnt vor einer „dramatischen Niederlage“ bei der Bundestagswahl, sollte Scholz an der Spitze bleiben. „Wenn Sie in der SPD die Mitglieder befragen würden, wären 80 Prozent für Pistorius“, so Serdar Yüksel, Chef des Bochumer Unterbezirks, gegenüber dem „Stern“. Er betonte, dass die Entscheidung nicht allein in Scholz’ Händen liege: „Es geht jetzt um die Frage, ob die SPD überlebt.“

Boris Pistorius steht bisher loyal zu Kanzler Olaf Scholz.
Boris Pistorius steht bisher loyal zu Kanzler Olaf Scholz.John MacDougall/AFP

Rückendeckung für Scholz – aber reicht das?

Trotz der wachsenden Kritik erhält Scholz Unterstützung aus den eigenen Reihen. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke stellte sich klar hinter den Kanzler: „Der Bundeskanzler tritt noch einmal an. Damit ist klar, wer der Kanzlerkandidat der SPD ist.“ Doch auch diese Rückendeckung scheint Scholz nicht aus der Schusslinie zu bringen.

Kann Pistorius die SPD retten?

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Pistorius wäre nicht nur bei SPD-Wählern beliebt, sondern könnte auch Wähler von CDU und CSU für die Sozialdemokraten gewinnen. Laut Umfrage meinen 76 Prozent der Unionswähler, Pistorius wäre der bessere Kanzlerkandidat. Selbst unter AfD-Sympathisanten erreicht er mit 57 Prozent eine überraschend hohe Zustimmung.

Zudem glaubt die Mehrheit der Deutschen, dass die SPD mit Pistorius an der Spitze ihre mageren Umfragewerte deutlich verbessern könnte. 62 Prozent gehen davon aus, dass die Partei dann deutlich über die derzeitigen 16 Prozent hinauskommt. Scholz entfacht hingegen kaum Zuversicht: Nur 12 Prozent trauen ihm einen ähnlichen Erfolg zu.

SPD: Eine Partei am Scheideweg

Der Druck auf Olaf Scholz steigt. Mit Boris Pistorius hätte die SPD nicht nur einen beliebten Kandidaten, sondern auch eine Chance, verlorene Wähler zurückzugewinnen. Doch Scholz ist noch nicht bereit, das Feld zu räumen. Die kommenden Wochen könnten für die Zukunft der SPD entscheidend sein – und vielleicht auch für das Schicksal ihres amtierenden Kanzlers. ■