In Deutschland haben insgesamt 53,5 Prozent der Bevölkerung (46,6 Prozent der Frauen und 60,5 Prozent der Männer) übergewichtig, bei fast jedem Fünften (19 Prozent) liegt eine Adipositas vor. Besonders betroffen: Langzeitarbeitslose und Bürgergeld-Empfänger. Eine neue Idee sorgt für Aufregung: Könnte die beliebte Abnehmspritze, die derzeit im Trend liegt, möglicherweise als staatliche Unterstützung angeboten werden?
Eine britische Studie zeigte, dass ein Jobverlust bei Erwachsenen tatsächlich tendenziell zu einer stärkeren Gewichtszunahme führt, nicht aber aufgrund von Veränderungen der Ernährung oder weniger körperlicher Betätigung - sondern wegen mehr Sorgen, Stress und weniger Schlaf. Dazu verursachen adipöse Menschen mit elf Milliarden Pfund pro Jahr mehr Kosten für das staatliche Gesundheitssystem als Raucher.
Abnehmen, um schnell wieder arbeiten zu können und möglichst wenig Arztkosten zu verursachen: Da kommen so manchem die Abnehmspritzen gerade recht. Zurzeit gibt es einen regelrechten Hype um die „Wunderwaffe“ gegen Fettpolster. Egal ob Ozempic, Mounjaro oder Wegovy – endlich abnehmen – nur dank einer Spritze. Allerdings sind die Kosten hoch und werden nicht von den Krankenkassen übernommen. Zudem handelt es sich in Wirklichkeit um ein Medikament, das für Menschen mit Typ-2-Diabetes gedacht ist, und in den Apotheken ist es nur begrenzt verfügbar.
Wunderwaffe gegen Kilos für Bürgergeld-Empfänger?
Nun sorgt in Großbritannien ein Vorschlag der neuen Labour-Regierung für Aufregung: Übergewichtige Arbeitslose sollten zur Abnehmspritze greifen. Und nicht nur das: Der Staat übernimmt alle Kosten! Premierminister Kei Starmer meint, dass das Mittel Menschen wieder helfen könnte, „damit die Menschen wieder in Arbeit kommen.“ Wissenschaftler sehen das allerdings differenzierter. Zudem wäre das nicht nur gut für die Wirtschaft, sondern auch eine Entlastung für den staatlichen Gesundheitsdienst NHS.

Ähnlich wie beim Bürgergeld in Deutschland übernimmt auch der britische Staat die medizinischen Kosten für Arbeitslose. Laut Gesundheitsminister Wes Streeting belaufen sich diese Ausgaben jährlich auf etwa 13,2 Milliarden Euro, die im Zusammenhang mit Fettleibigkeitserkrankungen stehen. „Unsere immer breiter werdenden Hosenbünde stellen eine erhebliche Belastung für unser Gesundheitswesen dar“, äußerte Streeting in der Zeitung „Telegraph“.
Die Kosten in Deutschland dürften ähnlich hoch sein. Das Jobcenter übernimmt die monatlichen Beiträge zur Krankenkasse für die Bürgergeldempfänger. Stark übergewichtige Menschen haben ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Gelenkprobleme und ein höheres Krebsrisiko – unabhängig davon, ob sie arbeitslos, im Ruhestand oder erwerbstätig sind. Aufgrund der allgemein gestiegenen Kosten werden die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland, ebenso wie die privaten Versicherungen, ihre Beiträge und Tarife im kommenden Jahr anpassen müssen.
Abnehmen, um schnell wieder arbeiten zu können
Könnten also die Krankenkassen mittel- und langfristig Geld sparen, weil weniger Menschen krank werden? Und könnten Bürgergeld-Bezieher mit weniger Kilos wieder mehr Lebensmut und Selbstbewusstsein zurückgewinnen? Britische Experten bezweifeln das. Dolly van Tulleken, die an der Cambridge Universität zu bevölkerungsbezogenen Gesundheitsmaßnahmen forscht, bezweifelt, dass die Regierung in der Lage sei, alle in Frage kommenden Menschen mit den Medikamenten zu versorgen. Aktuell würden etwa 49.000 Menschen jährlich im Zusammenhang mit ihrem Gewicht behandelt. Dem Vorstoß des Gesundheitsministers zufolge würde diese Zahl auf mehrere Millionen steigen.
In der aktuellen Debatte um das Bürgergeld wirkt es jedoch völlig unrealistisch, dass der Staat in Deutschland Langzeitarbeitslosen die begehrte Abnehmspritze finanzieren würde. Ein kürzlicher Versuch der Ampel-Regierung, Prämien einzuführen, scheiterte am Widerstand innerhalb der eigenen Fraktionen. So sollten frühere Bürgergeld-Bezieher, die mindestens ein Jahr lang in einem Job geblieben sind, eine Prämie von 1.000 Euro erhalten.
Ob der Einsatz von Abnehmspritzen bei mehrgewichtigen, arbeitslosen Menschen in Großbritannien tatsächlich einen Einfluss auf Arbeitslosigkeit und die Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung hat und in Zukunft breiter zum Einsatz kommen könnte, soll nun eine neue, fünfjährige Studie im Großraum Manchester klären. ■