Die Geschichte dieses Schatzes ist geradezu unglaublich und faszinierend. Viele tausende wertvolle Münzen, über viele Jahre von einem leidenschaftlichen Sammler akribisch aus aller Welt zusammengetragen, sind fast ein Menschenleben lang vergessen. Der Sammler hatte sie vor den Nazis in Sicherheit gebracht. Eine Geschichte wie aus einem Abenteuerfilm. Nun werden rund 500 der Gold- und Silbermünzen aus dem Schatz versteigert.
Fachleute für Münzen, Numismatiker genannt, geraten angesichts der Goldmünzen ins Schwärmen. Eine davon ist fast so groß wie ein Bierdeckel, wie der renommierte deutsche Experte Christian Stoess sagt. Er hat den Katalog für die Auktion bei Numismatica Ars Classica in Zürich erstellt. „Das war eines der Highlights meines Berufslebens“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. „So etwas kommt nur alle 100 Jahre einmal vor.“ Am 6. November wird die Auswahl der Münzen versteigert, darunter einzigartige Stücke aus Deutschland. Die gesamte Sammlung ist für rund 100 Millionen Dollar (rund 85 Mio. Euro) versichert.
Ein schwerreicher Erbe erwarb die Münzen in aller Welt
Mindestens ebenso faszinierend wie der Wert der Münzen, ist die Geschichte der Sammlung. Wie das Auktionshaus erzählt, war es ein reicher Erbe, der vermutlich Anfang der 1930er-Jahre anfing, Münzen zu erwerben. Da er das väterliche Unternehmen verkaufte, „verfügte er nicht nur über ein enormes Vermögen, sondern vor allem über Zeit, die es ihm ermöglichte, unermüdlich mit seiner jungen Frau zu reisen, die ihn auf einer mehrjährigen Hochzeitsreise begleitete.“

Das Paar habe in den besten Hotels der europäischen Hauptstädte gewohnt und Segelreisen nach Amerika und darüber hinaus unternommen. Diese Reisen dienten wohl auch dazu, die Sammlung um besondere Münzen auf aller Welt zu erweitern. Die Familie des Sammlers hat seiner sagenhaften Kollektion den Namen „Die Sammlung des Reisenden“ gegeben.
Münzschatz vor den Nazis in Zigarrenkisten vergraben
Die Identität des Sammlers und seiner Nachkommen wird nicht preisgegeben, das Auktionshaus hat Verschwiegenheit versprochen. Das betuchte Paar hat sich, offenbar nach der Geburt der einzigen Tochter, schließlich in Europa niedergelassen hat. Als dort der Einmarsch der Nazis drohte, habe der Sammler den Großteil seiner Kollektion in Papiertütchen verpackt, diese in Zigarrenkisten gelegt und in Metallboxen in seinem Garten vergraben. Als die deutschen Soldaten tatsächlich kamen, habe er einen Schlaganfall erlitten und sei kurz darauf gestorben.
Seine Frau habe gar nicht richtig gewusst, was in den Metallboxen versteckt war, sagen die Inhaber des Auktionshauses, die Brüder Arturo und Giuliano Russo. Sie habe ihre Familie erst hochbetagt informiert und die Münzen in den 1990er Jahren ausgraben lassen. Die Russos kennen die Familie. Auch Stoess weiß, wer den Schatz versteigern lässt. Alle verbürgen sich für die Geschichte.

„Man sieht es manchen Münzen an, dass sie lange Zeit in der Erde waren“, sagt Stoess. Von eindringendem Wasser zeugten auch die teils vergammelten Papiertütchen. „Ich finde es nicht unglaubhaft, dass die Witwe die Sammlung so lange Zeit in der Erde ließ, wo sie die Nazis überstanden hat“, sagt er. „Die Familie hat genügend Geld, sie brauchte einen Erlös aus der Sammlung nicht.“ Die Russos bekamen den verbuddelten Schatz nach eigenen Angaben erst 2022 in die Hände.
Goldmünze fast so groß wie ein Bierdeckel
Viel Stücke der „Sammlung des Reisenden“ kommen von dem amerikanischen Banker Waldo Newcomer, der eine große Sammlung hatte, im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre aber in Finanznot geriet und verkaufen musste. Dazu gehört das Sahnestück der Versteigerung, besagte Münze, die fast so groß wie ein Bierdeckel ist. Sie steht mit 1,25 Millionen Franken (rund 1,35 Mio. Euro) Schätzpreis im Katalog.
Sie besteht aus 346 Gramm Gold und zeigt Ferdinand III. (1608–1657), den König von Ungarn, Kroatien und Böhmen und späteren römisch-deutschen Kaiser. Er habe sie während des 30-jährigen Kriegs 1629 als Geschenk für einen hohen Würdenträger prägen lassen, sagt Stoess. Andere Fürsten ließen bedeutende Schlachten auf Münzen verewigen oder sich selbst mit Lorbeerkranz. Es sind unter anderem Münzen aus Augsburg, Würzburg, der Markgrafschaft Brandenburg, Preußen und Braunschweig-Lüneburg dabei.

Zu den persönlichen Favoriten des gebürtigen Hamburgers Stoess gehört die „Hamburg Portugalöser“ von etwa 1560, mit einem Schätzpreis von 75.000 Franken. Es sei eine der ersten großen Goldmünzen, die in Deutschland produziert wurde, sagt er. Pensionär Stoess hat 28 Jahre im Münzhandel gearbeitet, ehe er die letzten neun Berufsjahre beim Münzkabinett der Staatlichen Museen Berlin war. Mitsteigern will er nicht. „Wenn man jahrelang mit den tollsten Münzen zu tun hatte, muss man nichts mehr besitzen“, sagt er.


