Untersuchung über mehrere Jahre

Studie: Geimpfte erinnern sich anders an Corona als Ungeimpfte

Forscher aus Erfurt, Bamberg, Chicago und Wien haben in der renommierten Fachzeitschrift Nature die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlicht

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Geimpfte erinnern sich anders an die Corona-Pandemie als Ungeimpfte.
Geimpfte erinnern sich anders an die Corona-Pandemie als Ungeimpfte.picture alliance/dpa

Bereits während der Corona-Pandemie zeigten sich die ersten Unterschiede. Die einen fanden die harten Maßnahmen des Lockdowns richtig, andere glaubten, bevormundet zu werden oder fühlten sich eingesperrt. Da scheint auch das Ergebnis einer internationalen Studie nicht zu verwundern: Geimpfte erinnern sich anders an die Covid-19-Pandemie als Ungeimpfte.

Forscher aus Erfurt, Bamberg, Chicago und Wien haben in der renommierten Fachzeitschrift Nature die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlicht. Unter Leitung der Psychologen Cornelia Betsch und Robert Böhm verglichen sie frühere und aktuelle Aussagen von rund 1600 Studienteilnehmern, die jeweils 2020, 2021 und 2022 zu ihrer Einschätzung des Infektionsrisikos und der Schwere einer Corona-Infektion befragt wurden.

Zum zweiten Befragungszeitpunkt sollten sie sich an ihre Antworten aus der ersten Befragung erinnern. Dabei ging es beispielsweise um die Einschätzung des Infektionsrisikos und der Schwere einer Corona-Infektion oder um die Fragen, wie häufig die Teilnehmer Masken trugen und ob sie die Corona-Maßnahmen als angemessen oder übertrieben empfanden. Im Laufe der Zeit zeigte sich bei den Befragten die Tendenz, in ihren jeweiligen Einschätzungen extremer zu werden.

Ein Passant trägt eine FFP2-Maske in der Hand.
Ein Passant trägt eine FFP2-Maske in der Hand.Marijan Murat/dpa/

Forscher: Impfstatus verzerrt die eigene Erinnerung

„Geimpfte und Ungeimpfte haben sich in unterschiedliche Richtungen falsch erinnert“, sagte Studienleiterin Cornelia Betsch von der Universität Erfurt dem Spiegel. „Wir haben uns in unseren Erinnerungen noch weiter voneinander wegbewegt, als wir eigentlich waren.“

Die Forscher fanden also heraus: Wer sich stark mit seinem Impfstatus identifiziert, also etwa der Aussage zustimmt, „stolz“ darauf zu sein, geimpft oder ungeimpft zu sein, neigt dazu, sich systematisch falsch an die Pandemie zu erinnern.

Vor allem die Rückschau auf die eigene Haltung zu den Maßnahmen oder zur Gefährlichkeit einer Infektion ist vernebelt. Dieses starke Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe der Geimpften respektive Ungeimpften trägt zur anhaltenden Spaltung der Gesellschaft bei.

Verkürzt ausgedrückt: Die Identifikation mit dem eigenen Impfstatus verzerre die eigene Erinnerung an die ursprünglich wahrgenommenen Risiken, sagt Betsch dem Spiegel. Obwohl sie Verständnis für diese verzerrte Art der Erinnerung habe, müsse man einen Weg finden, sich einer sachlich korrekten Erinnerung anzunähern, um als Gesellschaft von der Pandemieerfahrung zu lernen.

„Die Menschen haben viel mitgemacht in der Pandemie und in der Erinnerung verfestigt sich dies und wird extremer“, sagt Betsch. „Und das erschwert heute das Sprechen über die Corona-Zeit, die Aufarbeitung.“

In einer weiteren, jetzt in Nature veröffentlichten Untersuchung befragten die Forscher rund 5100 Personen in zehn verschiedenen Ländern nach ihrer postpandemischen Wut auf Politiker, Wissenschaftler und das politische System als Ganzes, schreibt der Spiegel weiter. Die Ergebnisse waren erschreckend: In Deutschland wünschten sich 29 Prozent der Befragten, dass Politiker dafür bestraft werden sollten, wie sie mit der Corona-Pandemie umgegangen sind. 19 Prozent wünschten sich eine Bestrafung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sechs Prozent sogar eine Zerschlagung des politischen Systems.

„Diese Zahlen fanden wir schon krass“, sagt Cornelia Betsch. Andererseits passten sie zum Erleben vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Sie bekommen immer noch Hassnachrichten. Zwar weniger als in der Pandemie, aber das hat mitnichten aufgehört.“■