Sie seien egoistisch, selbstgerecht und hielten den Generationenvertrag nicht ein: Boomer, also die Generation, die zwischen 1955 und 1969 geboren wurden, haben in der öffentlichen Debatte nicht den besten Ruf. Soziologe Heinz Bude hält das für unverdient. Sein Buch „Abschied von den Boomern“ beschäftigt sich mit dem geburtenstarken Jahrgang – und erzählt gegenüber der Berliner Zeitung, warum die Boomer im Osten zwar anders, aber trotzdem Boomer sind.
Soziologe: Enkel sollten Boomern dankbar sein
Heinz Bude ist Soziologe, sein Schwerpunkt liegt unter anderem auf Generationenforschung. Am meisten beschäftigt ihn momentan, „wie die Boomer zum Objekt der Undankbarkeit einer jüngeren Generation geworden sind“. Seine These: es gibt gute Gründe, dass jüngere Generationen den Boomern dankbar sein sollten! Sagt Bude: „Die Boomer haben früh angefangen, für sich zu sorgen, sie haben die Fähigkeit, Nein zu sagen, um die Möglichkeit, sich einfach umzudrehen und wegzugehen, bereichert“.
Nun hätten die Boomer aber ein schlechtes Gewissen gegenüber Ihren Enkeln – grundlos, wie Bude findet: „Die Enkel sind besser dran, als sie glauben.“ Und die Boomer wiederum nicht so gut, wie die Enkel es ihnen vielleicht vorwerfen. Es gebe in der Generation außergewöhnlich viele Menschen mit hoher Bildung und geringen Alterseinkommen. Nicht alle wüssten, wie Sie im Alter zurechtkommen. Und hätten in ihrem Leben schon viele Schicksalsschläge erleiden müssen: „Durch Aids, als Bhagwanesen, als dritte Generation der RAF.“ Viele sind dadurch gestorben, andere tragen die Folgen mit sich.
Ostdeutsche Boomer fühlen sich nicht als Boomer
Das klingt, als würde sich Heinz Bude nur auf den Westen beziehen. „Ich war mit meinem Buch über den Abschied von den Boomern auch viel im Osten unterwegs, und die erste Reaktion war: Boomer – das ist ein Westphänomen, damit haben wir nichts zu tun.“ Aids sei im Osten kein Problem gewesen, auch Uni und Arbeitsmarkt nicht, sondern: „Unser Problem ist die Wende, und euch hat das gar nicht interessiert. Was haben wir denn jetzt gemeinsam?“ Für den Soziologen ist die Antwort darauf ganz klar: die Eltern! „Unsere Eltern sind durch die Jugendorganisationen der Nazis gegangen und von denen haben wir etwas mitbekommen, worunter die Boomer im Osten wie im Westen gleichermaßen gelitten haben: den Leistungsfanatismus der Nazis“, erzählt Bude.