Das Oktoberfest in München ist nicht nur das größte Volksfest der Welt, es ist auch ein finanzieller Kraftakt – für Gäste und Bedienungen gleichermaßen. Jahr für Jahr steigen die Bierpreise, und in diesem Jahr hat eine Maß Bier zum ersten Mal die 15-Euro-Marke geknackt. Doch während sich die Besucher über die hohen Kosten aufregen, stellen sich viele die Frage: Was bleibt eigentlich für die Kellnerinnen und Kellner, die tagein, tagaus mit bis zu 15 Kilogramm schweren Maßkrügen durch die rappelvollen Festzelte laufen?
Kellnerin Carina, die im berühmten Schottenhamel-Zelt arbeitet, verrät, was sie wirklich verdient und wie hart der Job auf der Wiesn ist. Seit fünf Jahren arbeitet Carina während der 16 Tage des Oktoberfests als Bedienung und gibt nun einen ehrlichen Einblick in die Arbeitsbedingungen und das Verdienstmodell.
1,35 Euro pro Maß Bier – aber das ist nicht alles
Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk erklärt Carina, dass sie pro servierter Maß Bier 1,35 Euro verdient. Bei einem Preis von 14,95 Euro für eine Maß im Schottenhamel-Zelt bleibt also nur ein kleiner Prozentsatz als Lohn für die Bedienung. Doch das ist nur die Brutto-Summe – davon werden noch Steuern abgezogen, sodass der Netto-Verdienst pro Maß deutlich geringer ausfällt. Aber Achtung, es summiert sich...

Hohe Vorabkosten: 2000 Euro aus eigener Tasche
Bevor Carina und ihre Kolleginnen und Kollegen überhaupt Geld verdienen können, müssen sie zunächst eine beachtliche Summe aus eigener Tasche vorstrecken. Carina berichtet, dass sie bereits vor Beginn des Fests rund 2000 Euro bezahlen musste, um Bons für die Speisen und Getränke zu kaufen. Diese Bons benötigen die Bedienungen, um in der Küche Bestellungen aufzugeben und die Speisen sowie Getränke dann an die Gäste weiterzuverkaufen.
Das bedeutet: Jede Maß Bier und jedes Gericht, das Carina verkauft, hat sie bereits vorfinanziert. Zu Beginn des Fests fühlt es sich für viele Kellnerinnen deshalb so an, als würden sie „umsonst arbeiten“, weil sie die ersten Einnahmen dazu nutzen müssen, ihre Vorabkosten zu decken. Erst nach einigen Tagen beginnt der echte Verdienst.
Trinkgeld: Der entscheidende Unterschied
Neben dem festen Anteil von 1,35 Euro pro Maß ist das Trinkgeld eine wichtige Einkommensquelle für die Bedienungen. Die Trinkgelder können stark variieren und hängen vor allem von der Großzügigkeit der Gäste ab. In einem vollen Zelt mit gut gelaunten Besuchern kann das Trinkgeld schnell einen erheblichen Teil des Verdienstes ausmachen, vor allem in den Abendstunden, wenn die Stimmung steigt und die Bierkrüge in schneller Folge geleert werden.
Ein spannender Blick auf die Zahlen zeigt, wie viel eine Kellnerin wie Carina in den 16 Tagen Oktoberfest verdienen könnte. Nehmen wir an, Carina bedient täglich 200 Gäste und jeder trinkt durchschnittlich drei Maß Bier. Das wären 600 Maß Bier pro Tag. Bei 1,35 Euro Verdienst pro Maß würde sie täglich 810 Euro brutto verdienen. Hochgerechnet auf die 16 Festtage ergibt das einen Bruttoverdienst von stolzen 12.960 Euro allein aus den Maßkrügen – Trinkgeld noch nicht eingerechnet.
Hochrechnung: Wie viel bleibt nach 16 Tagen übrig?
Beim Trinkgeld gehen die Schätzungen weit auseinander, aber in einem erfolgreichen Wiesn-Tag kann es durchaus dreistellige Beträge erreichen. Angenommen, Carina erhält pro Tag durchschnittlich 300 Euro an Trinkgeldern, kämen in den 16 Tagen weitere 4800 Euro hinzu. In Summe könnte Carina also einen Gesamtbetrag von über 17.000 Euro brutto erwirtschaften. Nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben und ihrer Vorabkosten bliebe am Ende noch ein stattlicher Nettobetrag übrig – jedoch bei 16 Tagen harter körperlicher Arbeit und langen Schichten von bis zu 12 Stunden pro Tag.

Die Schattenseiten: Zechprellerei und finanzielle Verluste
Doch der lukrative Job auf der Wiesn hat auch seine Schattenseiten. Neben der körperlichen Anstrengung und den hohen Vorabkosten müssen die Kellnerinnen und Kellner auch mit dem Problem der Zechprellerei kämpfen. Immer häufiger berichten Bedienungen davon, dass Gäste das Zelt verlassen, ohne zu bezahlen. Besonders bitter: Die Bedienungen bleiben auf den Kosten sitzen. Da sie die Speisen und Getränke bereits vorab von den Wirten gekauft haben, bedeutet jeder Zechpreller für sie einen finanziellen Verlust.
Nadja Blochberger, eine weitere Kellnerin auf dem Oktoberfest, berichtet auf ihren Social-Media-Kanälen von einem besonders ärgerlichen Vorfall: Ein ganzer Tisch sei ohne zu bezahlen verschwunden, und Nadja musste die ersten Stunden ihrer Arbeit „komplett umsonst“ leisten. Solche Vorfälle häufen sich und stellen eine zusätzliche Belastung für die ohnehin schon stark beanspruchten Bedienungen dar.
Ein lohnendes Geschäft mit Risiko
Das Arbeiten als Kellnerin oder Kellner auf dem Oktoberfest kann also äußerst lukrativ sein, aber es ist auch ein Knochenjob. Die Verdienstmöglichkeiten sind abhängig von der Anzahl der Gäste, dem Trinkgeld und natürlich dem Verhalten der Besucher. Carinas Einblicke zeigen, dass hinter der fröhlichen Fassade des Oktoberfests eine Menge harte Arbeit steckt und der Verdienst von vielen Faktoren abhängt.
Für diejenigen, die bereit sind, die Strapazen auf sich zu nehmen, bietet die Wiesn dennoch eine einmalige Chance, in kurzer Zeit ein extrem hohes Einkommen zu erzielen – vorausgesetzt, man bleibt von Zechprellern verschont und die Gäste sind in Geberlaune. ■