Psychologin sicher

Kinder aus dem Horror-Haus: Ihre Seelen sind zerstört!

Die renommierte Familienpsychologin und Bestseller-Autorin Nina Grimm sieht in solchen Bedingungen eine massive Bedrohung für die kindliche Psyche.

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In Spanien wurden aus einem Horror-Haus drei deutsche Kinder befreit. Die Jungen waren seit Jahren nicht draußen.
In Spanien wurden aus einem Horror-Haus drei deutsche Kinder befreit. Die Jungen waren seit Jahren nicht draußen.Polizei

In einem abgelegenen Haus in Spanien soll sich über Jahre ein erschütterndes Familiendrama abgespielt haben. Der Berliner KURIER berichtete darüber. Drei Jungen – darunter achtjährige Zwillinge und ihr zehnjähriger Bruder – lebten dort in völliger Isolation. Kein Kontakt zu Gleichaltrigen, kein Spielen im Freien, keine frische Luft oder Sonnenstrahlen, die sie hätten berühren können. Stattdessen bestimmte ein streng reglementierter Alltag ihr Leben: Kontrolle statt Geborgenheit, Zwang statt Freiheit. Was macht das mit den Seelen der Kinder?

Die renommierte Familienpsychologin und Bestseller-Autorin Nina Grimm sieht in solchen Bedingungen eine massive Bedrohung für die kindliche Psyche. Sie betont in der Bild-Zeitung, dass vier Jahre Isolation eine verheerende Wirkung auf Kinderseelen haben können.

In dieser Zeit lernten die Betroffenen, sich notgedrungen mit ihrer Realität zu arrangieren – ein psychologischer Überlebensmechanismus. Doch mit dem Ende der Isolation beginnt für die Kinder eine besonders kritische Phase. Jetzt, da sie mit der Außenwelt konfrontiert sind, müssen sie ihre bisherige Lebenswirklichkeit infrage stellen – und das ist ein gewaltiger Umbruch.

Die Kinder sind alt genug, um sich an eine Zeit vor der Gefangenschaft zu erinnern. Bereits ab dem dritten Lebensjahr werden prägende Erlebnisse im Langzeitgedächtnis verankert – Erinnerungen an Freiheit, Licht und vielleicht sogar Glücksmomente, die nun in scharfem Kontrast zur jahrelangen Enge stehen.

Spanische Medien berichten von verstörenden Details: So sollen die Jungen gezwungen worden sein, Windeln zu tragen, und einem rigiden Toilettenplan gefolgt sein. Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist dies besonders dramatisch, denn Kontrolle über die eigene Ausscheidung ist eng mit dem Gefühl von Selbstbestimmung verbunden.

In diesem Horror-Haus hielten deutsche Eltern ihre drei Kinder in Spanien jahrelang gefangen.
In diesem Horror-Haus hielten deutsche Eltern ihre drei Kinder in Spanien jahrelang gefangen.Pablo Lorenzana/afp

Wird Kindern dieses Recht genommen, untergräbt das ihr grundlegendes Vertrauen in sich selbst. Die Folgen reichen von emotionaler Instabilität über soziale Unsicherheiten bis hin zu tiefsitzenden Ängsten und depressiven Verstimmungen.

Als die Kinder endlich ins Freie gelangten, zeigten sich die Spuren der Isolation auch körperlich: Sie bewegten sich unsicher, ihre Koordination war gestört. Gleichzeitig reagierten sie mit intensiver Euphorie auf die Natur – warfen sich ins Gras, streichelten es, atmeten tief ein.

Diese Szene zeigt, wie sehr sie sich nach Reizen gesehnt haben, die für andere Kinder selbstverständlich sind, so die Psychologin zu Bild. Doch hinter der Freude lauert auch Angst. Vermutlich hatten die Eltern den Kindern Geschichten erzählt, die das Eingesperrtsein als notwendig oder schützend erscheinen ließen.

Kinder mussten sich ein kleines Bett teilen, an dessen Wand ein Monster gezeichnet war

Diese Erzählungen haben sich wohl tief eingebrannt – sie erklären die emotionale Zerrissenheit zwischen dem Glück, endlich frei zu sein, und der Angst vor einer Welt, die ihnen lange als bedrohlich dargestellt wurde.

Besonders verstörend ist auch die Schlafsituation in dem Haus. Zwei Kinder mussten sich ein kleines Bett teilen, an dessen Wand ein Monster gezeichnet war. Für die Psychologin ein alarmierendes Zeichen. Solche Bilder deuten darauf hin, dass die Kinder ihre Realität als bedrohlich und gefährlich empfunden haben – ein Ausdruck ihrer inneren Welt, die offenbar von Furcht und Ohnmacht geprägt war.

Auch das Verhältnis zu den Eltern hat unter dieser Extremform der Isolation massiv gelitten. Denn obwohl sie die Täter sind, könnten die Kinder sie weiterhin verteidigen. Ein tragischer Mechanismus: Wenn Eltern ihren Kindern scheinbar plausible Erklärungen für die Isolation bieten, klammern sich diese an das Narrativ – aus einem tiefen Bedürfnis heraus, ihre wichtigsten Bezugspersonen nicht als Feinde sehen zu müssen.

Völlig verwahrlost lebte die Familie, die ihre eigenen Kinder fast vier Jahre in einem Haus in Spanien eingesperrt hatte.
Völlig verwahrlost lebte die Familie, die ihre eigenen Kinder fast vier Jahre in einem Haus in Spanien eingesperrt hatte.Polizei

Die Erkenntnis, dass diese vermeintlichen Schutzmaßnahmen in Wahrheit reine Kontrolle und Gefangenschaft bedeuteten, ist für ein Kind zutiefst erschütternd und kann das Vertrauen in andere Menschen langfristig erschüttern.

Was treibt Eltern zu solch einem Verhalten? Die Psychologin sieht darin den Ausdruck einer schweren psychischen Störung – möglicherweise eine Persönlichkeitsstörung mit soziopathischen oder zwanghaften Zügen.

Können die Kinder dieses Trauma jemals verarbeiten?

Auch das Münchhausen-Stellvertretersyndrom könnte eine Rolle gespielt haben, bei dem Eltern gezielt Symptome bei ihren Kindern hervorrufen oder erfinden, um sie als krank darzustellen – eine mögliche Erklärung für die erzwungene Isolation.

In diesen Babybetten schliefen die 8-jährigen Zwillinge, die in Spanien aus einem Horror-Haus befreit wurden.
In diesen Babybetten schliefen die 8-jährigen Zwillinge, die in Spanien aus einem Horror-Haus befreit wurden.Polizei

Die große Frage bleibt: Können die Kinder dieses Trauma jemals verarbeiten? Nina Grimm ist überzeugt, dass diese Jahre ihre Entwicklung tief prägen werden – vor allem in Bezug auf Nähe, Vertrauen und zwischenmenschliche Beziehungen. Ihre Seelen sind zerstört. Doch es gibt Hoffnung. Mit stabiler, liebevoller und langfristiger therapeutischer Begleitung können die Kinder lernen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten.

Dafür brauchen sie jetzt vor allem eines: verlässliche Bezugspersonen, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit geben. Geschulte Psychotherapeuten, aber auch Freunde und Familienangehörige, die mit Geduld und Empathie helfen, zurück ins Leben zu finden – in ein Leben, das sie endlich selbst gestalten dürfen.

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