Es gibt im Alltag Fragen, die man sich immer wieder stellt – und für die es überall eigene Regeln gibt. Diese hier ist eine davon: Wie viel Trinkgeld ist eigentlich in Ordnung, wenn man beispielsweise im Restaurant isst? In Deutschland gehen die meisten von einem Bonus in Höhe von fünf bis zehn Prozent aus. Doch das reicht nicht allen. Im Netz macht seit Tagen ein Beitrag die Runde, offenbar verfasst von einem Menschen, der Erfahrungen in der Gastronomie hat. Dort wird das Thema Trinkgeld klar angesprochen – und es wird mit Knauser-Gästen abgerechnet: Wer nicht in der Lage sei, ein Trinkgeld von knapp 20 Prozent zu zahlen, solle „mit dem Arsch zu Hause bleiben“!
Beitrag im Netz sorgt für Debatten: „Lasst euren bankrotten Arsch zu Hause!“
Woher genau der Beitrag kommt, der in verschiedenen Gruppe und auf Seiten im sozialen Netzwerk Facebook auftauchte und inzwischen auch auf Reddit diskutiert wird: unklar. In jedem Fall scheint er aus den USA zu stammen, denn die Trinkgeld-Debatte wird hier in Dollar geführt. Zu sehen ist eine Restaurant-Rechnung, auf der ein Gast zusätzlich zur Summe in Höhe von 59,58 Dollar ein Trinkgeld („Tip“) von 5 Dollar vermerkt hat. So kommt eine Gesamtsumme von 64,58 Dollar zusammen, die handschriftlich auf dem Bon vermerkt ist. Der Autor des Beitrags beschwert sich darüber.
„Lasst mich euch etwas beibringen“, schreibt er. „Als Kellner verdient man fünf Dollar pro Stunde, was bei einer Arbeitszeit von vier bis sieben Stunden am Tag zu einem Verdienst von 20 bis 35 Dollar führt.“ Das bedeute: Personal und deren Kinder seien auf Trinkgelder angewiesen, um überleben zu können. „Wenn ihr nicht mindestens 18 Prozent Trinkgeld geben wollt, tut den Kellnern einen Gefallen und bleibt zu Hause oder esst Fast Food!“ Man solle ihn nicht falsch verstehen: „Nicht alle Kellner leisten guten Service, aber ich würde niemals kein oder nur 5 Dollar Trinkgeld geben.“
Das Argument: Jeder wäre sauer, wenn der Job nur die Hälfte des Lebens bezahlt. „Und sie arbeiten genauso hart wie viele andere. Wenn ihr kein Geld habt, lasst euren bankrotten Arsch zu Hause!“ Harte Worte, die im Netz für heftige Diskussionen sorgen: Soll es wirklich verpflichtend sein, Trinkgeld zu zahlen – und sind die Kunden im Restaurant dafür verantwortlich, die schlechten Gehälter der Restaurant-Betreiber auszugleichen? Nein, sagen viele Menschen, die ihren Frust in den Kommentaren auf Facebook und Reddit abladen.
Nutzer fordern Boykott von Restaurants, bis das Personal ordentlich bezahlt wird
„Ich gehe essen, um das Essen und die Gesellschaft meiner Freunde oder Familie zu genießen. Ich bin nicht hier, um als Ihre Personalabteilung zu fungieren und zu entscheiden, wer was bezahlt bekommt“, schreibt etwa ein Nutzer auf Reddit. „Es ist die Aufgabe der Eigentümer, einen angemessenen Preis für Ihr Essen und Ihre Getränke zu verlangen und Ihren Mitarbeitern davon ein faires Gehalt zu zahlen.“ Ein Nutzer fordert sogar dazu auf, Restaurants zu boykottieren, bis die Betreiber den Mitarbeitern ein ordentliches Gehalt zahlen. „Warum ärgern sie sich über die Kunden und nicht über ihre dumme Regierung?“, schreibt ein Kommentator.

Auch über die Trinkgeld-Kultur in Amerika wird diskutiert. „Anstatt das zugrunde liegende Problem (unterbezahlte Arbeitnehmer) zu lösen, haben wir zugelassen, dass die Trinkgeldkultur so weit anwächst, dass Arbeitnehmer, die NICHT als Trinkgeldempfänger gelten, jetzt zusätzliches Geld über die Kosten der Dienstleistung hinaus erwarten“, schreibt ein Nutzer. Also: Auch die, bei denen man eigentlich bisher kein Trinkgeld zahlen will, wollen nun „Tips“ haben. „Arbeitgeber mögen es, weil es ihnen Geld spart, und einige Trinkgeldempfänger mögen es, weil sie in jeder Schicht viel Geld verdienen können.“
Trinkgeld in der Bäckerei? Nutzerin erzählt von schrägem Erlebnis in New York
Ein Nutzer schildert ein Erlebnis, das sprachlos macht: „Als ich in New York war, ging ich in eine Bäckerei, um mir ein Croissant und Wasser zu holen, und sie haben das Kassensystem umgestellt, sodass das Mindesttrinkgeld 18 Prozent beträgt.“ Der Mitarbeiter habe aber nur ein Croissant in eine Papiertüte gepackt – und das Wasser musste der Kunde noch selbst zapfen. Die 18 Prozent Trinkgeld scheinen da ziemlich überzogen… Doch es gibt auch andere Meinungen zum Thema Trinkgeld. Denn: Mehrere Nutzer, die selbst in der Gastronomie arbeiten, geben an, dass das Trinkgeld nicht so schlecht ausfällt wie beschrieben.

„Ich bin Amerikanerin und habe 11 Jahre in der Gastronomie gearbeitet. Man könnte das Trinkgeld streichen und den Lohn jedes Kellners von 2,50 Dollar pro Stunde auf 30 Dollar erhöhen, und sie würden wahrscheinlich in Scharen kündigen“, schreibt eine Frau. „Ich habe mit einer Barkeeperin gearbeitet, die eine Beförderung abgelehnt hat, weil sie 11 Stunden am Tag gearbeitet und mit 850 Dollar aufgehört hätte. Sie hätte im Grunde 50 Dollar weniger pro Stunde in Kauf genommen, um Managerin zu werden.“ Denn dann hätte sie auf die Trinkgelder verzichten müssen.
In Deutschland ist Trinkgeld eine freiwillige Geste, die in der Gastronomie, bei Taxifahrern, Friseuren und anderen Dienstleistungen üblich ist. Es drückt Dankbarkeit für guten Service aus und beträgt meist 5 bis 10 Prozent des Rechnungsbetrags. Anders als in einigen Ländern ist Trinkgeld in Deutschland nicht verpflichtend, da der Service oft im Preis inbegriffen ist. Dennoch wird erwartet, dass man auf den nächsten runden Betrag aufrundet oder einen kleinen Betrag dazugibt. Zum Beispiel zahlt man bei einer Rechnung von 18,50 Euro oft 20 Euro und sagt „Stimmt so“. ■
Was halten Sie von Trinkgeld, wie viel geben Sie – und tun Sie es nur in Restaurants oder auch anderswo? Schicken Sie uns Ihre Meinung an wirvonhier@berlinerverlag.com – wir freuen uns auf Ihre Zuschriften.