
Hoch oben zu arbeiten, ist für viele der Inbegriff der Freiheit. Dafür gibt es zum Beispiel Baukräne oder auch Hochhausdächer. Aber hoch oben über Waldbäumen zu schweben, ist nur ganz wenigen vergönnt. Eine Berlinerin darf das – und für sie ist es der schönste Arbeitsplatz der Welt.
Von einem 45 Meter hohen Drehkran aus überwacht eine Wissenschaftlerin aus Berlin in einem Wald ihre Baum-Patienten. Die Arbeit könnte Wäldern auch anderswo zugutekommen und sei nebenbei wunderschön, sagt sie.
Fast geräuschlos gleitet Pia Kräft über die Buchen- und Eichenkronen hinweg. Am Horizont ist der Turm der St.-Bartholomaei-Kirche von Demmin zu sehen. Der Ruf eines Kranichs ist zu hören. „Ist das nicht wunderschön?“, fragt die Wissenschaftlerin der Technischen Universität Berlin, während sie in luftiger Höhe in einem Arbeitskorb an einem Drehkran hängt – mitten im Wald. Angst hat sie offenbar keine.
„Das ist der schönste Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann“, schwärmt Kräft. Man fliege durch die Baumkronen zu den Messpatienten. Die Messpatienten, das sind Bäume, denn der 45 Meter hohe Drehkran inmitten des Wendeforstes bei Demmin dient zur Überprüfung ihrer Vitalität, also vereinfacht gesagt der Frage: Wie geht es den Buchen, Eichen, Lärchen, Douglasien und Fichten ringsherum? Kräft arbeitet nicht allein, sondern im Team. Denn wenn es um Bäume geht, gibt es immer viel zu tun.
Mindestens im Nordosten handelt es sich nach Aussage von Kai Jütte von der Landesforstanstalt Mecklenburg-Vorpommern um das am besten vermessene Waldstück. Auf einem Hektar seien rund 400 Bäume erfasst. 40 sogenannte Intensivbäume würden besonders genau untersucht.
Wieso sind Baumblätter eigentlich grün?
Innerhalb der abgezäunten Fläche ragen überall Kabel aus dem Boden, Temperatursensoren stehen wie kleine Pilze verteilt, und Trichter fangen herabfallendes Laub und Nadeln auf.
Während Röhren im Waldboden es möglich machen, mit einem Scanner das Wurzelwachstum zu erfassen, geht Kräft vom Kran aus mit einem Spektrometer auf Tuchfühlung mit den Blättern. Sie misst, welche Lichtanteile absorbiert und welche reflektiert werden, um Rückschlüsse auf Stoffe im Blatt zu ziehen.

Wieso sind die Blätter eigentlich grün? Grünes Licht bräuchten die Blätter für die Fotosynthese nicht, erklärt Kräft. Da sie diese grünen Lichtanteile nicht wie die benötigten Rot- und Blauanteile absorbierten, sondern reflektierten, sei der Wald grün.
Deutsche Wälder haben große Probleme
Seit 2022 steht der Kran in dem Wald, zuvor hatte ihn das Potsdamer GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung schon in der Nähe für ein Projekt genutzt. Das GFZ ist ebenso am aktuellen Projekt namens FeMoPhys beteiligt wie der Landesbetrieb Forst Brandenburg und die Universität Greifswald.
„In Deutschland haben wir sehr, sehr viele Probleme mit dem Wald“, sagt Jütte von der Landesforstanstalt Mecklenburg-Vorpommern. In MV setzten Trockenheitsperioden etwa den großen Buchenbeständen zu. Fichten litten wie überall in Deutschland unter Borkenkäfern.
Intensivbäume bekommen einmal im Jahr eine Visite
Einmal im Jahr steht für die Intensivbäume eine Visite an, für die alle Ergebnisse je Baum zusammengetragen werden. Teils hat das Team den Patienten sogar Namen gegeben: Die „Problembuche“ etwa ist besonders hoch, verliert aber stark Blätter. Oder die „Dominante“ – die einzige Buche im Nordteil der Fläche, die sich zwischen vielen Fichten behaupten muss.

Europaweit gebe es zwar neun Kräne in vergleichbarem Einsatz. Der in Demmin sei aber nicht nur der nördlichste – auch die komplexe Ausstattung und die Zusammensetzung des Baumbestandes machten den Standort besonders.