Steven Spielberg ist daran schuld. Mit seinem Blockbuster „Der weiße Hai“ hat er in den 70er-Jahren die Angst vor den Raubtieren der Meere geschürt. Instagram-Videos von Hai-Attacken, von Tieren mit weit aufgerissenen Mäulern voller Zähne, tun ein Übriges. Zurzeit macht Florida als größter Hai-Hotspot der Welt Schlagzeilen. Tatsächlich ereignete sich laut Experten ein Viertel aller im vergangenen Jahr registrierten Hai-Angriffe in dem amerikanischen Bundesstaat. Wissenschaftler versuchen aber gegen Panikmache anzukämpfen: Das Risiko, von einem Hai gebissen zu werden, sei selbst in Florida äußerst gering, argumentieren sie.
Weltweit 69 unprovozierte Hai-Angriffe zählte die Universität von Florida in ihrer Statistik für das Jahr 2023, 16 davon vor den Küsten des Bundesstaats. Angesichts der laut offizieller Statistik 135 Millionen Badegäste an Floridas Stränden im vergangenen Jahr ist diese Zahl dennoch vergleichsweise klein.
New Smyrna Beach: Im trüben Wasser machen Haie Fehler und beißen Surfer
Trotz der statistisch geringen Gefahr, von einem Hai gebissen zu werden, sitzt die Angst vor den Raubfischen mit den scharfen Zähnen tief. Filme wie „Der weiße Hai“ und die seit Jahrzehnten laufende amerikanische Doku-Serie „Shark Week“ befeuern sie weiter.
„Wenn Haie im Wasser Fische jagen, kommen ihnen hin und wieder Menschen in die Quere, und die Haie machen einen Fehler“, sagt Gavin Naylor, Hai-Experte an der Universität von Florida und einer der Verfasser des jährlichen Hai-Berichts. Wenn Haie Menschen wirklich angreifen wollten, wäre das für sie ein Kinderspiel, schildert Naylor: „Menschen sind im Prinzip so etwas wie im Wasser treibende Würstchen.“ Doch statt zu attackieren, gingen Haie den Menschen grundsätzlich aus dem Weg.

Die flachen subtropischen Gewässer vor den Stränden Floridas sind reich an Nährstoffen und damit auch an Beutefischen, deshalb locken sie viele Haie an. Vor der Küste von New Smyrna Beach im County Volusia wurden vergangenes Jahr acht Menschen von Haien angegriffen. Das brachte dem Ort den unrühmlichen Beinamen „Welthauptstadt der Hai-Bisse“ ein. Das Meer dort ist bei Surfern beliebt, doch das trübe Wasser schränkt die Sicht der Raubfische ein, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie versehentlich nach einem Menschen schnappen.
Hai-Bisse seien wie Flugzeugabstürze: schockierend, aber selten, sagt Bruce Adams, der in New Smyrna Beach wohnt und beim Surfen selbst mehrmals Haien begegnete. Der schlechte Ruf der Tiere sei die Folge von Sensationsmache, bedauert er: „Damit wird der Verkauf angekurbelt“, kommentiert er die Umtriebe findiger Verkäufer, die in New Smyrna Beach T-Shirts mit der Aufschrift „Shark Bite Capital of the World“ anbieten.
Ein Taucher sagt: Im Wasser sind Haie eher wie scheue Hundewelpen
Die meisten Badegäste in Florida seinen wahrscheinlich schon einmal mit Haien im Wasser gewesen, ohne es zu wissen, sagt Hai-Forscher Joe Miguez, ein weiterer Autor des Jahresberichts. „Sie wollen nicht wirklich etwas mit uns zu tun haben.“
Einige Menschen betreiben sogar großen Aufwand, um den Raubfischen zu begegnen. In Jupiter, etwa 150 Kilometer nördlich von Miami, hat Jonathan Campbell schon mehr als 500 Tauchgänge mit Leuten unternommen, die mit Haien schwimmen wollten. „Man sieht Haie in Filmen, und da sind sie furchterregende Monster. Aber im Wasser sind sie eher wie scheue Hundewelpen“, sagt er.
Seit 1970 ist die Zahl der Haie einer aktuellen Studie zufolge weltweit um 70 Prozent zurückgegangen. Sehr wahrscheinlich ist der Mensch für die Raubfische eine größere Gefahr als sie für ihn. „Wir sollten uns mehr darauf konzentrieren, diese Tiere zu schützen, statt Angst zu haben, dass sie es auf uns abgesehen haben“, fordert Miguez. ■