Das Justizdrama um den Mord an einer britischen Austauschstudentin 2007 in Italien hat nach vielen Schlagzeilen rund um die Welt noch einmal eine neue Wendung genommen: Ein Berufungsgericht in Florenz verurteilte die Amerikanerin Amanda Knox am Mittwoch überraschend zu drei Jahren Haft, weil sie einen offensichtlich Unschuldigen verleumdet haben soll.
Im Hauptverfahren war die inzwischen 36-Jährige – die „der Engel mit den Eisaugen“ genannt wurde – zuvor schon zweimal wegen Mordes schuldig gesprochen worden. In letzter Instanz gab es dann aber 2015 einen Freispruch von allen Mordvorwürfen. Nun hatte Knox darauf gehofft, von der italienischen Justiz völlig reingewaschen zu werden.
Knox brach in Tränen aus, als die Richter in Florenz das Verleumdungsurteil aus früherer Instanz bestätigten. „Das habe ich nicht erwartet. Ich bin sehr enttäuscht“, sagte die Amerikanerin, die eigens zu dem Prozess nach Italien zurückgekehrt war. Zurück hinter Gitter muss sie aber nicht: Die dreijährige Haftstrafe hat sie bereits durch ihren früheren Aufenthalt in italienischen Gefängnissen verbüßt. Knox lebt längst wieder in ihrer Heimat an der Westküste der USA. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie sieht sich als Opfer der italienischen Justiz.
Der Mord an Meredith Kercher sorgt weltweit für Schlagzeilen
Der Mord an der 21 Jahre alten Meredith Kercher in der mittelitalienischen Stadt Perugia im November 2007 sorgt seither immer wieder für Schlagzeilen. Der Fall war zudem Grundlage für mehrere Bücher und Filme und auch für eine erfolgreiche Serie. Die junge Britin war während eines Austauschsemesters tot im eigenen Blut in der Wohnung aufgefunden worden, die sie sich mit drei anderen jungen Frauen geteilt hatte. Schnell geriet ihre amerikanische Mitbewohnerin Knox, damals erst 20, zusammen mit ihrem damaligen Freund unter Verdacht.
Knox wurde in einem ersten Prozess zu 26 Jahren Haft verurteilt. Nach vier Jahren in einem italienischen Gefängnis wurde der Schuldspruch aufgehoben und sie konnte in die USA zurückkehren. In Abwesenheit wurde sie dann jedoch von einem italienischen Gericht abermals verurteilt. Erst 2015 wurden sie und auch ihr Ex-Freund letztlich von Italiens oberster Instanz vom Vorwurf des Mordes freigesprochen – und zwar nicht aus Mangel an Beweisen, sondern weil sie sie nach Ansicht der obersten Richter nicht die Täter waren. Zugleich rügte der Oberste Kassationsgerichtshof massive Fehler bei den Ermittlungen und in den früheren Prozessen.
Ein anderes Urteil verfolgt Knox jedoch bis heute: Nach ihrer Festnahme hatte sie zunächst einen mit ihr befreundeten, offensichtlich unschuldigen Barmann der Tat beschuldigt, weshalb sie wegen Verleumdung zu weiteren drei Jahren Haft verurteilt wurde. Dieser Richterspruch wurde 2019 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gekippt. Knox behauptet, nach der Verhaftung enorm unter Stress gestanden zu haben und von der italienischen Polizei zu der Falschaussage gedrängt worden zu sein. Mit dem neuen Prozess wollte sie nun einen völligen Freispruch auch von den Verleumdungsvorwürfen erreichen – ohne Erfolg.
Knox wurde vor dem Gericht von Fotografen und Kameraleuten heftig bedrängt
Vor dem Urteil hatte sie noch an das Gericht appelliert: „Ich bitte demütig darum, mich für unschuldig zu erklären.“ Bei dem Barmann, einem Einwanderer aus dem Kongo, entschuldigte sie sich mit den Worten: „Es tut mir leid, dass ich dem Druck nicht widerstehen konnte und er gelitten hat.“
Knox erschien zu dem Termin Hand in Hand mit ihrem Ehemann. Bei ihrem Eintreffen gab es Szenen, die an frühere Gerichtstermine erinnerten: Knox wurde von Fotografen und Kameraleuten heftig bedrängt. Eine Kamera traf sie am Kopf, wodurch sie sich eine kleine Beule zuzog. In ihrem Gesicht standen Tränen.

Der von Knox fälschlicherweise beschuldigte Barmann hat Italien längst verlassen
Wer die junge Britin tatsächlich ermordete, ist bis heute nicht geklärt. Wegen Beihilfe zum Mord wurde ein damals 20-jähriger Mann verurteilt, dessen Fingerabdrücke am Tatort gefunden worden waren. Nach 13 Jahren Haft ist er inzwischen wieder auf freiem Fuß. Der von Knox fälschlicherweise beschuldigte Barmann hat Italien längst verlassen. Auch zum Prozess erschien er nicht. Sein Anwalt Carlo Pacelli zeigte sich aber zufrieden mit dem Urteil. Er sagte: „Amanda Knox ist kein Opfer, sondern eine Verleumderin.“