„Schönheitssalon-Syndrom“

Ärzte warnen: Schlaganfall nach Haarewaschen beim Friseur – schon mehrere Opfer

Das „Beauty Parlor Stroke Syndrome“ oder auch „Schönheitssalon-Schlaganfall-Syndrom“ ist selten, aber gefährlich: Jetzt starb ein 23-Jähriger nach einem Friseurbesuch.

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Das Überstrecken des Nackens beim Haarewaschen kann gefährlich sein, sagen Forscher.
Das Überstrecken des Nackens beim Haarewaschen kann gefährlich sein, sagen Forscher.Westend61/Imago

Es sollte ein normaler Friseurbesuch für einen 23-Jährigen werden. Der junge Mann aus der Türkei setzte sich an das Waschbecken und lehnte seinen Kopf zurück, um sich rasieren zu lassen. Plötzlich bemerkt er einen Stich im Nacken. Er ignoriert den Schmerz. Drei Tage später kommt er mit starkem Schwindel, Übelkeit und Erbrechen ins Krankenhaus. Die Ärzte stellen bei dem zuvor kerngesunden 23-Jährigen einen Schlaganfall im Kleinhirn fest. Und er ist nicht das erste Opfer des „Beauty Parlor Stroke Syndrome“.

Was nach einer dramatischen Geschichte klingt, ist laut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des International Institute of Health tatsächlich passiert. Im Jahr 2022 dokumentierten sie das sogenannte „Beauty Parlor Stroke Syndrome“ (zu Deutsch: „Schönheitssalon-Schlaganfall-Syndrom“) im National Library of Medicine. Dabei erleiden Kunden beim Haarewaschen im Friseursalon einen Schlaganfall, weil sie ihren Nacken im Waschbecken überdehnen.

„In der medizinischen, wissenschaftlichen Literatur wird dieses Phänomen immer wieder beschrieben. Es ist natürlich sehr selten – was aber auch an der hohen Dunkelziffer liegen dürfte, da bin ich mir sicher“, erklärte der Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht in einem Interview mit dem Sender RTL.

Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht erklärt die Risiken des „Beauty Parlor Stroke Syndrome“.
Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht erklärt die Risiken des „Beauty Parlor Stroke Syndrome“.Sven Simon/Imago

Dabei kann der Schlaganfall – wie im Fall des 23-Jährigen oft erst Tage später auftreten. „Und dann denkt natürlich keiner mehr daran. Niemand würde seinen Besuch im Schönheitssalon mit seinem Schlaganfall bringen“, so Dr. Specht. Aber auch ein Mini-Schlaganfall könne auftreten, der lange Zeit unbemerkt, aber tödlich enden kann.

Schlaganfall kann einige Tage später auftreten

Der Mediziner betont, dass nicht das Haarewaschen an sich das Problem ist, sondern die Überdehnung des Nackens: „Wenn man am Waschbecken sitzt und der Kopf zu weit nach hinten geneigt ist, dann passiert es schon mal, dass der Nacken überstreckt beziehungsweise überdehnt wird. Dabei kann es zu einer Schädigung der Intima, der inneren Auskleidung der Arterien, kommen.“

Bei einem solchen Anfall sind nicht die Hauptarterien betroffen, sondern die Arterien, die links und rechts entlang der Wirbelsäule verlaufen. „Werden diese nach hinten überstreckt, kommt es zu diesem Einriss der Intima, der inneren Auskleidung der Gefäße. Unser Körper hat in einem solchen Fall gute Intentionen und versucht, das selber in Ordnung zu bringen, indem er die Stelle mit Thrombozyten abdichten will. Doch genau das ist das Gefährliche! Dabei bildet sich nämlich ein Blutpfropfen, ein Gerinnsel“, warnt Specht bei RTL.

Das Gerinnsel kann sich anschließend vergrößern oder gar abreißen, was einige Tage dauern kann. „Das erklärt die Zeit dazwischen, dass vor Ort im Salon noch alles in Ordnung ist und nach Tagen plötzlich ein Schlaganfall auftreten kann“, so der Experte. „Das ist ganz tückisch.“ Dabei kann es vorkommen, dass Menschen bei einem Schlaganfall nur ein Symptom zeigen.

Auch der Brite Dave Tyler erlitt 2011 nach einem Friseurbesuch einen schweren Schlaganfall, berichtet das Deutsche Ärzteblatt. Er verbrachte drei Monate im Krankenhaus. Bis heute geht er am Stock, leidet unter Sehstörungen und wird nie wieder Autofahren kön­nen. Er verklagte den Friseursalon, weil dieser seinen Nacken nicht ausreichend ge­schützt habe. Nach einer außergerichtlichen Einigung erhielt er schließlich 90.000 Pfund (109.000 Euro) Entschädigung.

Schlaganfall beim Friseur? Das sind die Risikofaktoren

Das „Beauty Parlor Stroke Syndrome“ wurde erstmals 1992 definiert, nachdem ein Arzt namens Michael Weintraub an der New Yorker Universität für Medizin fünf Fälle von älteren Frauen untersucht hatte, die alle nach einem Friseurbesuch schwere neurologische Probleme entwickelten. Laut einem Bericht der indischen Ärztin Ann Benzily, der 2024 im Global Journal of Research in Medical Science veröffentlicht wurde, sind bisher folgende Faktoren bekannt, die das Risiko eines Schlaganfalls nach einem Friseurbesuch verstärken:

Bekannte Faktoren für einen Schlaganfall:
  • Bereits im Voraus verschlossene Arterien aufgrund von Arterienverkalkung
  • Dauer der gestreckten Haltung des Halses
  • Kleinere Wirbelarterien
  • Rauchen
  • Diabetes
  • Bluthochdruck
  • Mittleres bis höheres Alter
  • Arthrose der Halswirbelsäule

Benzily rät, neben Nackenschmerzen auch auf Schwindel, Übelkeit oder Erbrechen zu achten. Auch ein Taubheitsgefühl im Gesicht sowie plötzliche Stürze, weil sich Gliedmaßen schwach anfühlen, können ein Anzeichen sein. Sollte man sich während oder nach einem Friseurbesuch körperlich unwohl fühlen, ist es äußerst ratsam, sofort einen Arzt aufzusuchen. Denn gerade nach einem Schlaganfall zählt jede Minute.

Auch Dr. Christoph Specht erklärt, dass man nicht ab sofort Angst vor dem nächsten Friseurbesuch haben muss. Das „Beauty Parlor Stroke Syndrom“ trete sehr selten auf. Er gibt Entwarnung: „Solange das Waschbecken gut gepolstert ist und man Kopf und Nacken nicht zu weit nach hinten dehnt, dann passiert nichts.“ ■