Tödlicher Wahnsinn auf Berlins Straßen. In der Nacht zu Donnerstag, gegen 1 Uhr: Schüsse peitschen durch die Bülowstraße in Schöneberg. Unbekannte schießen im Vorbeifahren aus einem Auto auf Menschen. Ein Mann stirbt, zwei werden verletzt, darunter wohl ein Unbeteiligter. Der oder die Täter sind auf der Flucht.
Am Vormittag ist die Schießerei das Gesprächsthema im Kiez. „Schrecklich. Mein Mann hat es mit angesehen“, sagt Angela (Name geändert), die in einem Späti in der Bülowstraße arbeitet. „Es geschah genau vor seiner Nase, dass einer der Männer erschossen wurde. Ich bin froh, dass meinen Mann nichts passiert ist.“ Während die Verkäuferin mit dem KURIER spricht, kommt ein Polizist in den Laden. „Wir sichern Video-Material von Überwachungskameras vor Ort“, erklärt der Beamte dem KURIER.

Die Spuren der blutigen Nacht sind auch am Vormittag noch zu sehen. Überall Polizei, eine gläserne Seitenwand der Bushaltestelle ist von den Schüssen zersplittert. Als die Einsatzkräfte in der Nacht zum Tatort ankommen, finden sie ein Szenario vor, das an einen US-Thriller erinnert. Eine regungslose Person liegt am Boden, eine weitere Person hat einen Schuss ins Bein abbekommen, die Bushaltestelle liegt in Scherben, ein Auto wurde dreifach getroffen.
42-Jähriger stirbt im Rettungswagen
Was war passiert? Aus einem Auto heraus haben Unbekannte in der Bülowstraße mehrere Schüsse abgefeuert und damit einen Mann getötet und zwei weitere verletzt. Einer der Verletzten war laut Staatsanwaltschaft ein unbeteiligter Passant. Es habe sich um ein sogenanntes Drive-by-Shooting gehandelt. Der englischsprachige Begriff wird für Schussabgaben im Vorbeifahren aus dem Auto verwendet. Am Tatort steht auch ein roter BMW mit Einschusslöchern.
Die Schüsse trafen einen 42-jährigen Mann tödlich. Einsatzkräfte versuchten, ihn noch am Tatort zu reanimieren. Er starb einem Sprecher der Staatsanwaltschaft zufolge kurze Zeit später im Rettungswagen. Die Leiche wird derzeit obduziert, wie es am Morgen heißt. Der Erschossene soll ein Türke sein, er hinterlässt eine Frau und ein Kind.
Ein Begleiter des Mannes sowie ein gänzlich unbeteiligter Passant wurden ebenfalls von den Schüssen getroffen. Die beiden Verletzten im Alter von 42 und 44 Jahren wurden ins Krankenhaus gebracht und mussten operiert werden. Berichte, wonach der Unbeteiligte auf einem Fahrrad unterwegs gewesen sein soll, bestätigte die Staatsanwaltschaft zunächst nicht. Neben dem Mann, der Brasilianer sein soll, lag aber ein umgestürztes Fahrrad.
Um den abgesicherten Tatort bildete sich in der Nacht eine große Menschentraube. Viele Menschen schrien verzweifelt oder weinten. Wie viele Schüsse abgegeben wurden und um was für eine Schusswaffe es sich genau handelte, blieb offen.
Um die Rettungsmaßnahmen zu unterstützen, wurde ein Löschfahrzeug alarmiert. Die Polizei sicherte das Gebiet mit 28 Einsatzkräften weiträumig ab. Noch am Morgen nach den Schüssen waren Straßen nahe dem Tatort wegen des Polizeieinsatzes für den Verkehr gesperrt, wie die Berliner Verkehrsinformationszentrale mitteilte.
Zu den Hintergründen der Tat ist derzeit noch nichts bekannt, nach ersten Informationen handelt es sich jedoch um eine Auseinandersetzung im Clan-Milieu. Der Kiez in der Bülowstraße ist ein Berliner Rotlichtviertel, die Kriminalität hier dreht sich meist um Prostitution.

„Was ist hier nur los? Es ist wie im Film“, sagt ein Spätibesitzer, die Kunden würden heute Morgen über nichts anderes reden. Angst habe er aber nicht, es sei eben ein Rotlichtkiez hier, „es ist halt hart“. Die Ladenbesitzer würden aber alle zusammenhalten.
Der Chef aus der Bäckerei aus der Nähe wünscht sich, dass in der Gegend mehr Überwachungskameras angebracht werden.
„Natürlich ist es erschreckend, aber ich glaube, es kann überall was passieren“, sagt er zum KURIER. Sie hätten zum Glück so spät in der Nacht nicht mehr geöffnet.
In der vergangenen Nacht haben unsere 7. #Moko und die @GStABerlin die Ermittlungen zu einem Tötungsdelikt in #Schöneberg übernommen. Gegen 1 Uhr wurden bei Schussgaben in der Bülowstraße/Potsdamer Straße drei Männer im Alter von 44 und zweimal 42 Jahren verletzt. Einer der…
— Polizei Berlin (@polizeiberlin) September 5, 2024
In der Bülowstraße: „Ich gehe jetzt nicht mehr raus, wenn es dunkel ist“
Spätiverkäuferin Angela gibt zu, dass sie jetzt Angst hat. „Ich bin einiges gewöhnt, bin ja in Kreuzberg aufgewachsen, aber nach dieser Nacht ...“, sagt sie und zuckt zusammen. „Ich gehe jetzt nicht mehr raus, wenn es dunkel ist. Die sollen hier mal was machen.“ Es ginge hier so nicht mehr weiter.
Aber das Leben in der Bülowstraße scheint mittags schon wieder ganz normal weiterzugehen. An der zersplitterten Bushaltestelle halten die Busse schon wieder im Minutentakt. Die Fahrgäste steigen ein und aus und gehen wie immer ihrer Wege. ■
