Der Tod von Maike Thiel (17) ging als „Mord ohne Leiche“ in die Kriminalgeschichte ein. In einem spektakulären Indizienprozess wurden Maikes Ex-Freund Michael S. (heute 46) und dessen Mutter Christine S. (72) im Juli 2024 – 17 Jahre später – zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie beteuerten noch immer ihre Unschuld. Es wurden nie Maikes Leiche oder der Tatort gefunden. Jetzt kommt wieder Bewegung in den Fall, berichtet die Berliner Zeitung.
Als Maike Thiel im Sommer 1997 nach einer Krankenhausbesuch in Hennigsdorf spurlos verschwand, war sie im achten Monat schwanger. Auch der Einsatz eines Privatdetektivs, den Maikes Eltern engagiert hatten, brachte nichts. Die Polizei ging bald von einem Tötungsdelikt aus. Doch erst 15 Jahre später wurden ihr damaliger Ex-Freund Michael S. und dessen Mutter Christine S. verhaftet.
Mord ohne Leiche: Mutter und Sohn wurden in Indizienprozess verurteilt
In einem 14 Monate andauernden Prozess, bei dem alle Angeklagten bis zum Schluss schwiegen, wurde der Fall aufgerollt. Die beiden sollen einen Killer beauftragt haben, weil sie keinen Unterhalt für das Kind zahlen wollten. Die Leiche der damals 17-Jährigen aus Leegebruch wurde nie gefunden, aber die Richter des Neuruppiner Landgerichts (Ostprignitz-Ruppin) gingen in dem Indizienprozess von Mord aus.
Zwei Freundinnen von Michael S. waren die Hauptzeuginnen. Sie beschuldigten ihn, Maike Thiel mit umgebracht zu haben. Das hätte er ihnen anvertraut. Sie erzählten in dem Prozess auch, dass Michael S. bei der Tat von der schwangeren Frau kräftig in den linken Unterarm gebissen worden sei. Er habe eine blutende Bisswunde davongetragen, eine Narbe sei geblieben. Doch die Stelle war zum Zeitpunkt des Prozesses tätowiert, eine darunterliegende Narbe konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.
Trotzdem hatten die Richter keine Zweifel an der Schuld. Die Mutter habe ihren Sohn zum Mord angestiftet, begründete damals Richter Gert Wegner. Auch den Sohn sprach das Gericht wegen Mordes schuldig. Obwohl Michael S. zur Tatzeit 18 Jahre alt war, wurde das Jugendstrafrecht (Höchststrafe zehn Jahre) in diesem Fall abgelehnt. Beim Mordmerkmal „Habgier“ bleibe kein Raum für das Jugendstrafrecht, hieß es.
Michael S. sitzt in Tegel ein, seine Mutter in Brandenburg
Die ehemalige Berufsschullehrerin Christine S. soll die treibende Kraft hinter der grausamen Tat gewesen sein. Sie soll den Mord in Auftrag gegeben haben. Sohn Michael habe Maike dann mit Hilfe eines Bekannten erdrosselt. Dafür hatte der Killer 1800 Euro erhalten, musste sich jedoch nicht vor Gericht verantworten, weil er inzwischen verhandlungsunfähig war.
Sohn und Mutter beteuern bis heute ihre Unschuld. Ihre Anwälte, darunter der renommierte Hamburger Jurist Gerhard Strate, haben jetzt ein Wiederaufnahmeverfahren beantragt, das Bewegung in den Fall bringt. Das berichtet die Berliner Zeitung. Für einen solchen Antrag müssen neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen. Derzeit werden die Akten vom zuständigen Landgericht in Cottbus geprüft. Zum zweiten Mal. Und schon das ist ein kleiner Sieg für die Verurteilten.

Im ersten Anlauf vor zwei Jahren wurde vom Gericht ein dermatologisch-fachärztliches Sachverständigengutachten verworfen, wonach eine Bissverletzung und Narbenbildung bei Michael S. auszuschließen sei. Dem wiedersprach wiederum das Oberlandesgericht: denn das Gutachten sei sehr wohl ein neues Beweismittel.
Anwalt Gerhard Strate berichtet, dass die Strafkammer in Cottbus nun ein eigenes Gutachten in Auftrage gegeben habe, bei dem es darum geht, ob es eine Narbe am Arm von Michael S. gibt. Er rechnet damit, dass die Expertise in etwa drei Monaten vorliegen werde, berichtet die Berliner Zeitung. Michael S. sitzt bis heute in der JVA Tegel, seine Mutter im Gefängnis in Luckau-Duben.