Bei Darstellungen von Kremlchef Wladimir Putin, dem die Ukraine im Hals stecken bleibt, hört für die russische Justiz der Spaß auf. Der Düsseldorfer Karnevalskünstler Jacques Tilly ist wegen seiner Wagen für den Rosenmontagszug ins Visier der Kreml-treuen Behörden geraten. Ein Moskauer Gericht hat ein Strafverfahren wegen angeblicher Falschinformationen über die russische Armee eingeleitet.
Künstler findet die Vorwürfe absurd
Die Vorwürfe hält der Chef-Wagenbauer des Düsseldorfer Rosenmontagszugs für absurd. „Sie sind eine schöne Bestätigung dafür, dass Humor weh tun kann und bei denen ankommt, die gemeint sind.“ Es sei das erste Mal, dass er wegen seiner Arbeiten offiziell angeklagt werde. Nach solchen Anschuldigungen sind in Russland schon viele Kriegsgegner der von Putin befohlenen Invasion der Ukraine verurteilt worden. Die Entscheidungen stehen international als Unrechtsurteil der russischen Willkürjustiz in der Kritik.
Überrascht habe Tilly vor allem, dass seine satirischen Aktionen nun derart ernst genommen würden. Bislang habe es lediglich aus rechtsextremen Kreisen in Deutschland Versuche gegeben, juristisch gegen ihn vorzugehen – allerdings ohne Erfolg.

Putin war oft Motiv von Tillys Karnevalswagen
Warum er aber angeblich Falschnachrichten über die Armee verbreiten soll, ist ihm schleierhaft. Denn seit Jahren nimmt Jacques Tilly keine Streitkräfte, sondern die Mächtigen ins Visier, vor allem Wladimir Putin und dessen aggressive Politik. Bereits 2014 zeigte ein Wagen beim Düsseldorfer Rosenmontagszug den Kremlchef als Muskelprotz. Der Bizeps war durch eine Bombe mit der Aufschrift Krim ersetzt, am Sprengsatz brannte bereits die Lunte.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine zeigte Tilly Putin blutverschmiert in einer Badewanne in den ukrainischen Nationalfarben. Ein anderer Wagen zeigte Putin, wie er sich die Ukraine in den Rachen steckt, mit dem Spruch „Erstick dran!!!“.
Seine bissig-satirischen Wagen seien eben mehr als bloße Plakate. Sie sind „echte Eyecatcher“, wie Tilly sagte. Der Verein Freies Russland NRW nutze die Motive deshalb immer wieder für weitere Aktionen. Von dort habe er auch erstmals von dem Verfahren in Moskau erfahren. Die russischen Behörden selbst hätten sich nicht gemeldet. „Kein Anruf, kein offizielles Schreiben, nichts.“

Auslieferungs-Risiko besteht für den Künstler
Als er von den Ermittlungen hörte, habe er zunächst gelacht. Die Vorwürfe der Falschinformation nähmen ihn nicht ernsthaft mit, vielmehr sei er „amüsiert“, so Tilly. „Streitkultur darf auch mal polemisch sein, aber das wird in Putins Russland nicht verstanden.“
Juristische Konsequenzen fürchtet der Künstler nicht. „Russland ist ein krimineller Staat mit einer kriminellen Führung und einer kriminellen Gesetzgebung“, sagte er. Da er ohnehin nicht plane, in Moskau Urlaub zu machen, sehe er keinen Anlass zur Sorge.
Anders als viele oppositionelle Russen im In- und Ausland sieht sich Tilly nicht akut gefährdet. Dennoch wolle er sich bei Reisen in Länder mit enger Russland Bindung künftig genauer informieren. Ein gewisses Restrisiko, etwa durch mögliche Auslieferungsabkommen, schließt er nicht aus.


