Wassermassen ohne Ende

Flut in Russland: Ganze Region versinkt – Anwohner sauer auf Behörden

In den Flutgebieten im Süden Russlands und im Norden Kasachstans werden die höchsten Pegelstände jemals gemessen. Doch die Behörden versagen. Es regt sich Protest.

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Bilder von Hubschraubern zeigen die massiven Überflutungen in der Region Orenburg in Russland.
Bilder von Hubschraubern zeigen die massiven Überflutungen in der Region Orenburg in Russland.Andrey Borodulin/AFP

Es ist eine Katastrophe von bisher in Russland unbekanntem Ausmaß: Im Süden Russlands und in Kasachstan überschwemmt eine riesige Flut immer mehr Gebiete. Hunderttausende Menschen sind betroffen. Die Kritik an den Behörden beiderseits der Grenze wächst. Und die Pegel in einigen Regionen steigen weiter auf historische Rekordstände.

In den Überschwemmungsgebieten der massiven Flut in Russland drohen nach offiziellen Angaben weitere tausend Häuser in den Wassermassen zu versinken. Die Situation sei „sehr schwierig“, erklärte am Sonntag der Gouverneur der Region Kurgan im Süden des Landes. Das Wasser im Fluss Tobol steige rasch an, erklärte Wadim Schumkow. Neue Regenfälle verschlimmerten zudem die Situation.

Zehntausende Häuser in Region Orenburg in Russland überflutet – Kritik an Behörden

Kurgan liegt östlich der besonders von den Überschwemmungen der vergangenen Tage betroffenen Region Orenburg. Dort wurden bis Sonntag nach Behördenangaben rund 34.000 Häuser überflutet. Auf Videos aus Hubschraubern ist zu sehen, wie vielerorts nur noch die Dächer aus dem bräunlichen Wasser ragen. Satellitenaufnahmen zeigen zudem, dass riesige Landstriche komplett von den Wassermassen überflutet wurden. Der Katastrophenschutz rief für die Region den Notstand aus. 

In der Stadt Orsk in der Region Orenburg gab es am vergangenen Montag bereits eine Protestaktion, bei der hunderte Menschen gegen die langsame Reaktion der Behörden auf die Flut protestierten. Sie riefen Russlands Diktator Wladimir Putin um Hilfe. Die Polizei forderte die Demonstranten auf, sich zurückzuziehen, das die Demonstration nicht genehmigt gewesen sei.

In der Stadt war zuvor ein Damm kollabiert. Der Bürgermeister der Stadt hatte zuvor noch beschwichtigt und Löcher im Damm als „ganz normale Erscheinung“ bezeichnet. Zwei Tage später brach er. Die Anwohner wurden nicht gewarnt.

Die unzureichende Hilfe der Behörden in den Flutgebieten wird heftig kritisiert.
Die unzureichende Hilfe der Behörden in den Flutgebieten wird heftig kritisiert.V.V. Smolnikov/AP/dpa

Putin-Regime mit Situation überfordert

Politik-Experten führen das mangelhafte Krisenmanagement auch auf die politische Situation in dem diktatorisch geführten Staat zurück. „Diese Beamten wurden nicht gewählt, daher sind sie es nicht gewohnt, mit Menschen zu kommunizieren“, erklärt Nikolay Petrov, Russland-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik gegenüber der russischen Oppositionszeitung Nowaya Gazeta. Er fügte hinzu, dass die Ernennung unerfahrener Leute zu Posten in der regionalen Führung ein perfektes Beispiel für „die Minderwertigkeit von Putins Herrschaftsmodell“ sei.

Der Diktator, der sonst eigentlich gerne Möglichkeiten ergreift, um sich in der Staatspropaganda als Macher zu inszenieren, „beobachtet die Situation“ laut Kremlsprecher Dimitri Peskow „aus der Ferne“. Für einen Besuch in den Flutgebieten habe Wladimir Putin aber „keine Pläne“, so Peskow.

Soldaten bauen einen Damm in den von der Flut bedrohten Gebieten bei Uralsk im Nordwesten von Kasachstan.
Soldaten bauen einen Damm in den von der Flut bedrohten Gebieten bei Uralsk im Nordwesten von Kasachstan.Medet Medvesov/ITAR-TASS

Auch riesige Gebiete von Kasachstan überflutet

Auch im benachbarten Kasachstan ist die Flutkatastrophe massiv. Hier mussten mittlerweile mehr als 107.000 Menschen ihre Häuser verlassen, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete. In Petropawl, der Hauptstadt der Region Nordkasachstan, sollte das Hochwasser laut der Nachrichtenagentur Kazinform binnen 24 Stunden seinen Höhepunkt erreichen.

„Warum ist es so weit gekommen? Seit 60 Jahren hat niemand etwas unternommen“, sagte der Einwohner Alexander Kuprakow. Die Regierung habe in der Region „keine Investitionen“ getätigt, um eine solche Situation zu verhindern. Auch Kasachstan wird vom Präsidenten Qasym-Schomart Toqajew autoritär regiert. Elena Kurzajewa, eine 67-jährige Rentnerin aus Petropawl, sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Ich wurde gestern rausgeholt und 15 Minuten später war das Wasser da.“

Auslöser der Überschwemmungen sind massive Regenfälle und die Schneeschmelze bei frühlingshaften Temperaturen, welche die Flusspegel rasant steigen lässt. Nach Angaben von Experten führt der Klimawandel dazu, dass Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen häufiger und heftiger werden. ■