Konfrontation in Sendung

Expertin zerlegt Sahra Wagenknecht: „Anderes Verhältnis zu Fakten“

In der Talkshow von Maybrit Illner brachte Sahra Wagenknecht viele Argumente auf, traf aber auf harten Widerspruch. 

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Claudia Major las Sahra Wagenknecht die Leviten.
Claudia Major las Sahra Wagenknecht die Leviten.„maybrit illner - Nato in der Krise – stark genug gegen Putin?“

Konfrontation mitten zur besten Sendezeit. Die Sicherheitsexpertin Claudia Major (47) hat in der Polittalkrunde von Maybrit Illner am Donnerstagabend die Politikerin Sahra Wagenknecht (54) heftig für von ihr geäußerte Falschinformationen kritisiert. „Ich glaube, dass ich ein anderes Verhältnis zu Fakten habe als Sie“, warf Major der Chefin der nach ihr benannten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht vor.

Danach nahm sie dezidiert Informationen aus den Redebeiträgen Wagenknechts aus der Illner-Sendung auseinander und widerlegte diese. Hier eine Auswahl davon, welche Argumente Wagenknecht der Ansicht der Sicherheitsexpertin nach falsch verbreitete.

Wagenknecht glaubt nicht an mehr Sicherheit durch Waffen

Zunächst bezeichnete Wagenknecht die Raketen, die die USA in Europa stationieren wollen, als „Eskalation“ und als „Angriffsraketen“. „Ich halte die Vorstellung wirklich für abenteuerlich, dass wir in dieser waffenstarrenden Welt mehr Sicherheit bekommen, wenn wir noch mehr Waffen aufstellen.“ Wagenknecht meinte dann, dass sich die NATO, anders als behauptet, nicht zurückgezogen habe, der deutsche „Rüstungshaushalt“ sogar um 250 Prozent angestiegen sei und mittlerweile bei 90 Milliarden Euro pro Jahr liege.

Das sei nach ihrer Aussage bereits vor dem „Ukraine-Krieg“ passiert, also von „2014 bis 22“. Was Wagenknecht dabei nicht erwähnte, ist, dass der russische Krieg gegen die Ukraine bereits 2014 begann, als Russland die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektierte und Truppen in den Donbas schickte, um dort gegen die ukrainische Regierung zu kämpfen.

Neben Wagenknecht und Major nahmen auch der Ex-Heute-Moderator Claus Kleber, Grünen Chef Omid Nouripur und Ex-US-General Ben Hodges teil.
Neben Wagenknecht und Major nahmen auch der Ex-Heute-Moderator Claus Kleber, Grünen Chef Omid Nouripur und Ex-US-General Ben Hodges teil.„maybrit illner - Nato in der Krise – stark genug gegen Putin?“

Sicherheitsexpertin nimmt Wagenknecht-Argumente auseinander

Der Sicherheitspolitik-Expertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, platzte daraufhin der Kragen. Sie nahm sich fast jeder der Wagenknecht-Aussagen vor: „Das eine ist, dass der deutsche Verteidigungshaushalt momentan bei 71 Milliarden Euro liegt. Und das ist nicht nur Rüstung, sondern alles was die Bundeswehr macht.“

Dazu zähle neben den Ausgaben für Waffenbeschaffung auch Wartung, Ausbildung, Unterkunft und Personalkosten. Mit Bezug auf die angekündigte Stationierung von Raketen durch die USA sagte sie: „Da sind da drei Typen von Waffen drin. Das sind die Marschflugkörper Tomahawk und das sind Flugabwehrraketen und das Hyperschallwaffen, die noch nicht fertig entwickelt sind“, so Major, die wie Sahra Wagenknecht aus dem Osten Berlins stammt. „Die Flugabwehrraketen sind zum Beispiel dazu da, sowas wie Drohnen oder Raketen abzufangen damit genau so etwas wie in den Kinderkrankenhaus in Kiew nicht bei uns passiert.“

Claudia Major: Aufrüstung Reaktion auf Stationierung russischer Raketen

Die Waffen würden Europa schützen. Und, das stellte Major auch heraus, das sei vor allem notwendig, weil Russland aus dem INF-Vertrag zur Vernichtung aller bodengestützten Kurz- und Mittelstreckenraketen von 1987 ausgestiegen sei. Auch habe das Land Kampfflugzeuge mit Kinschal-Raketen und bodengestützte Iskander-Raketen in Kaliningrad stationiert, die auf Europa zielen. 2023 habe Russland schließlich angekündigt, taktische Atomwaffen in Belarus, an der Grenze zum NATO-Nachbarn Polen zu stationieren. Major dazu: „Auf diese Bedrohung muss die NATO reagieren. Und da erwarte ich ehrlich gesagt, als Bürgerin, dass sie mich schützt.“ Es gebe eine Schutzlücke, die von der Bundesregierung und der NATO geschlossen werden müsse.

Zuvor bezog sich der ebenfalls in der Sendung zugeschaltete US-General Ben Hodges auf eine Aussage von Wagenknecht. Diese hatte behauptet, dass sich die Welt nun in einer ähnlichen Situation befinde, wie während der Kubakrise. Hodges kritisierte die Aussage. „Ich denke das ist schon Unsinn“, sagte er. „Damals gab es eine Sowjetunion, die bereit war, anzugreifen. Und Russland heute ist nicht wie die Sowjetunion. Die NATO ist sehr viel stärker.“

Sahra Wagenknecht führte zum Teil widerlegte Falschinformationen an.
Sahra Wagenknecht führte zum Teil widerlegte Falschinformationen an.„maybrit illner - Nato in der Krise – stark genug gegen Putin?“

Wagenknecht führt widerlegte Falschbehauptungen zu Angriff auf Kinderkrankenhaus in Ukraine an

Doch Wagenknecht führte auch die zivilen Opfer in der Ukraine an. Viele würden laut Wagenknecht dadurch entstehen, dass die Ukraine russische Raketen abfinge und die Trümmer dann nach unten fielen. Auch in Bezug auf das in Kiew zerstörte Kinderkrankenhaus führte Sahra Wagenknecht an, dass erste Meldungen gewesen seien, dass es herunterfallende Raketenteile gewesen seien. Sicherheitsexpertin Claudia Major warf ein: „Die sind aber als falsch erwiesen worden.“ In der Tat gab es danach sehr genaue Videos, die zeigten, wie eine russische Rakete vom Typ Kh-101 direkt in das Krankenhaus einschlug. Wagenknecht beharrte jedoch auf der Falschinformation, die aus der russischen Propaganda stammt. 

Genau die warf sie dann einfach allen Seiten vor. „Ich weiß, dass im Krieg von allen Seiten gelogen wird. Insoweit kann es sein, dass die Russen lügen, es kann sein, dass die Ukrainer lügen.“

Appell bei den Fakten zu bleiben

Doch genau packte Claudia Major Sahra Wagenknecht beim Schopfe. „In allen Themen, die wir bislang hatten, gab es ein Problem. Dass Sie nämlich mit den Fakten sehr kreativ waren“, so Major. „Falsche Informationen in den Raum zu stellen, Behauptungen aufzustellen, die sich häufig auf russische Quellen stützen, aus einem Land, dass keine Presse- und Informationsfreiheit hat.“ Das Problem sei, dass damit  die öffentliche Debatte vergiftet werde. „Weil nämlich immer weniger klar wird, was eigentlich stimmt.“

Major ermahnte nochmals, sich an die Fakten zu halten. Das wollte auch Wagenknecht. Die Frage ist, welche sie damit meinte.

Die Sendung von Maybrit Illner mit dem Titel „Nato in der Krise – stark genug gegen Putin?“ ist in der ZDF-Mediathek zu finden.