Streit um Nahostkonflikt

Ohrfeige und Bauchtritt am Ernst-Abbe-Gymnasium: Lehrer bleibt straffrei

Auf dem Schulhof jubeln Schüler nach dem Hamas-Massaker mit einer Palästinenser-Fahne. Ein Lehrer schreitet ein und die Situation eskaliert.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Der angeklagte Lehrer (r.) steht mit seinem Anwalt Uwe Freyschmidt im Gerichtssaal. Der 62-Jährige ist wegen Körperverletzung im Amt angeklagt.
Der angeklagte Lehrer (r.) steht mit seinem Anwalt Uwe Freyschmidt im Gerichtssaal. Der 62-Jährige ist wegen Körperverletzung im Amt angeklagt.Marion van der Kraats/dpa

Ein Schüler zeigt nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel eine Palästina-Flagge. Ein Lehrer will dies unterbinden. Die Situation eskaliert – und beschäftigte die Justiz.

Der Lehrer soll nach dem Disput im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt seinen Schüler geohrfeigt haben, das Verfahren gegen ihn ist nun eingestellt worden. Der 62-Jährige war wegen Körperverletzung im Amt angeklagt. Er soll nun innerhalb von sechs Monaten eine Geldauflage von 800 Euro zahlen, dann ist der Fall endgültig erledigt.

Hintergrund: Zwei Tage nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel 2023 gerieten am Berliner Ernst-Abbe- Gymnasium auf der Sonnenallee Lehrer und Schüler aneinander. Der Schüler hatte eine Palästina-Flagge gezeigt, andere Schüler jubelten. Der Lehrer schreitet ein: „Ich fasste das als politische Demonstration auf, hätte ich auch bei Rechtsradikalen getan“, sagt er. Die Anklage warf dem Lehrer vor, dem inzwischen 16-Jährigen dabei mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben.

Der Lehrer schildert den Vorfall so: „Er gab mir einen Kopfstoß, im Reflex stieß ich ihn weg.“ Laut Anklage mit einer Ohrfeige. „Danach trat er mir mit ausgestrecktem Bein in den Bauch. Er ist Kampfsportler, ich ging zu Boden.“ Seither ist der Lehrer krankgeschrieben. Bilder von Videoaufnahmen kursierten nach dem Vorfall im Netz. Neben einem Foto des Lehrers ein Aufruf: „Wer ihn sieht, soll ihn behindert schlagen!“

„Ich übe meinen Beruf gerne aus“, sagt der Lehrer. 20 Jahre machte er Dienst an der Brennpunkt-Schule. Ob er je wieder unterrichtet, ist offen.

Gericht: Provokationen vor dem Vorfall

Ursprünglich sollte der Lehrer für Sport und Geografie eine Geldstrafe von 3000 Euro (30 Tagessätze zu je 100 Euro) zahlen. Gegen einen entsprechenden Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten hatte er jedoch Einspruch eingelegt. Darum kam es zur mündlichen Verhandlung. Der Schüler trat in dem Prozess als Nebenkläger auf und sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Die Vorsitzende Richterin Imke Hammer sagte, es gebe mehrere Gründe für eine Einstellung des Verfahrens: Die Staatsanwaltschaft sei selbst von einem minderschweren Fall ausgegangen. Dem Geschehen seien Provokationen vorausgegangen. Der Lehrer sei selbst verletzt worden und arbeite seitdem nicht mehr. Zudem sei er der Bedrohung durch Schüler ausgesetzt.

Lehrer: „Ich hörte Jubel“

Der Lehrer wies den Vorwurf eines absichtlichen Schlags vor Gericht zurück. „Ich hörte Jubel“, schilderte er. Er sei zu der Gruppe gegangen, wo der Jubel hergekommen sei und ein Vermummter eine Palästina-Flagge gezeigt habe. Er habe dies als politische Demonstration aufgefasst. „Mir war klar, dass ich da einschreiten muss“, so der 62-Jährige.

Ein Schüler habe dann demonstrativ die Flagge in seine Richtung gezeigt. Er habe ihn aufgefordert, sie wegzupacken und mit zur Schulleitung zu kommen. Weil er dies nicht getan habe, sei es zu einer Konfrontation „von Angesicht zu Angesicht“ gekommen.

Polizei stuft Lehrer als gefährdet ein

„Ich wurde von der Polizei als gefährdete Person eingestuft. Ich sollte auf keinen Fall in die Schule gehen“, schilderte der 62-Jährige.  Gegen die Jugendlichen, die öffentlich dazu aufforderten, ihn zu schlagen werde es demnächst zum Prozess kommen.

Polizisten stehen vor dem Ernst-Abbe-Gymnasium in der Sonnenallee im Berliner Stadtteil Neukölln.
Polizisten stehen vor dem Ernst-Abbe-Gymnasium in der Sonnenallee im Berliner Stadtteil Neukölln.DPA WEBLINES

Auch gegen den 16-Jährigen hat die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung Anklage erhoben. Ob und wann es in diesem Fall vor einem Jugendrichter zum Prozess kommt, ist nach Angaben einer Gerichtssprecherin noch offen. Das Gericht müsse noch prüfen, ob es einen hinreichenden Tatverdacht gebe.

Der Schüler sagte im Prozess gegen den Lehrer unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Sein Rechtsanwalt erklärte, den Kopfstoß habe es nicht gegeben. Durch den Schlag ins Gesicht habe sein Mandant mehrere Wochen Schmerzen im Gesicht gehabt. Sein Mandant habe in einer eindeutigen Selbstverteidigungssituation gehandelt. Der Jugendliche habe die Schule wechseln müssen. ■