Zahlen steigen weiter

Öffi-Horror trotz Kameras: Jeden Tag mindestens eine Sexualstraftat

Besonders in U-Bahnhöfen spielt sich viel Kriminalität ab. 55 Prozent aller Delikte im ÖPNV wurden dort registriert. Und: Sexualstraftaten nehmen zu.

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Sicherheitsleute auf Berlins gefährlichstem U-Bahnhof: dem Kottbusser Tor.
Sicherheitsleute auf Berlins gefährlichstem U-Bahnhof: dem Kottbusser Tor.Emmanuele Contini/imago

Die Kriminalität im Berliner Nahverkehr geht insgesamt zurück – doch gerade bei Sexualstraftaten zeigt sich ein besorgniserregender Anstieg. Besonders in U-Bahnen und Bussen steigt die Gefahr. Was bedeutet das für Fahrgäste, und welche Maßnahmen sind jetzt nötig?

Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr durchschnittlich 42 Straftaten pro Tag in Berlins Bussen, Bahnen und an Haltestellen. Klingt viel, doch insgesamt wurden 2024 weniger Delikte verzeichnet als noch im Vorjahr. Der Hauptgrund? Ein Rückgang bei Drogendelikten durch die Teillegalisierung von Cannabis.

Doch während einige Verbrechen seltener wurden, bleibt die Gewaltquote hoch – und Sexualstraftaten nehmen sogar zu, schreibt die „Berliner Morgenpost“ (Bezahlschranke).

Eine Anfrage der Grünen-Politiker Antje Kapek und Vasili Franco an die Senatsverwaltung zeigt: Gerade in U-Bahnen und Bussen steigt die Zahl der Sexualdelikte massiv an.

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) wurden 2024 insgesamt 283 Fälle gemeldet – das sind fast 15 Prozent mehr als 2023. In S- und Regionalbahnen hingegen sank die Zahl zwar von 131 auf 97 Fälle, doch Grünen-Politikerin Kapek warnt: Das sei kein Grund zur Entwarnung.

Sexuelle Übergriffe besonders in U-Bahnen und Bussen

380 Sexualdelikte im Berliner Nahverkehr – das bedeute mehr als eine Tat pro Tag, sagt Kapek. Und das sind nur die angezeigten Fälle. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Die Statistik zeigt zudem eine traurige Realität: In 91 Prozent der Fälle sind Frauen die Opfer, in 99 Prozent sind Männer die Täter.

Kapeks Forderung, so die „Morgenpost: Der Senat müsse dringend handeln – durch Frauenabteile in U-Bahnen, bessere Sicherheitskonzepte für Bahnhöfe und Haltestellen sowie sichere Wege dorthin.

Erstaunlich: Obwohl Bahnhöfe und Verkehrsmittel mit Kameras ausgestattet sind, konnten 2024 nur in 125 von 380 Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. Das entspricht einer Aufklärungsquote von nur 32,89 Prozent.

Mehr als eine Sexualstraftat pro Tag – Dunkelziffer wohl höher

Dabei steht der Anstieg von Sexualdelikten in krassem Gegensatz zum allgemeinen Rückgang der Straftaten im Nahverkehr. Während 2023 noch 13.108 Delikte bei der BVG registriert wurden, waren es 2024 nur noch 12.769 – ein Rückgang von 2,59 Prozent. Auch bei der Deutschen Bahn gab es einen Rückgang von 15,41 Prozent. Insgesamt sank die Zahl der erfassten Straftaten im ÖPNV von rund 16.000 auf 15.272.

Die Berliner Grünen-Politikerin Antje Kapek rechnet mit einer hohen Dunkelziffer bei Sexualstraftaten im ÖPNV.
Die Berliner Grünen-Politikerin Antje Kapek rechnet mit einer hohen Dunkelziffer bei Sexualstraftaten im ÖPNV.Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa

Besonders in U-Bahnhöfen spielt sich viel Kriminalität ab: 55 Prozent aller Delikte im ÖPNV wurden dort registriert. Körperverletzungen machen dabei einen großen Anteil aus – allein 1.445 von insgesamt 3.131 gemeldeten Fällen ereigneten sich an den U-Bahnsteigen.

Trotz Kameras bleibt die Aufklärungsquote gering

Nur ein sicherer ÖPNV sei ein funktionierender ÖPNV, betont Innenpolitiker Franco. Gewaltverbrechen sind nach wie vor ein Problem: Während es 2019 bei der BVG noch 3119 Gewaltdelikte gab, stieg die Zahl 2023 auf 4023 und lag 2024 bei 3884 – das sind immer noch 24,53 Prozent mehr als vor der Pandemie.

Die Berliner Polizeigewerkschaft sieht vor allem die Videotechnik als Schlüssel zur Sicherheit. Der ÖPNV sei ein Kriminalitäts-Hotspot, sagt GdP-Sprecher Benjamin Jendro in der „Morgenpost“. Die Polizei brauche intelligente Kameras und längere Speicherfristen – mindestens 96 Stunden.

Aber Videoüberwachung allein reiche nicht aus, warnt Jendro. Er fordert mehr Polizeipräsenz und gemeinsame Streifen von BVG und Polizei. Das Personal fehle allerdings. Wenn sie mehr Streifen einsetzen, blieben andere Aufgaben liegen. Die Gewerkschaft verlangt deshalb eine grundsätzliche Neuverteilung der Aufgaben der Berliner Polizei. ■