Es war nur eine Frage der Zeit. Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland lockt Akteure auf den Markt, denen es auch um Lug und Betrug geht. Denn die Freigabe des Rauschmittels ist keine Errungenschaft des kleinen Mannes. Hinter der Freigabe stehen Lobbyisten eines Milliardenmarktes, der gerade erst im Entstehen ist. Das zieht neben seriösen Unternehmen auch Zocker und Börsen-Betrüger an. Jetzt machte die Polizei einer Gruppe Cannabis-Kapitalisten den Garaus, die mit dem Investment in medizinische Cannabis-Pflanzen krumme Geschäfte machen wollte.
Ermittler sind mit Durchsuchungen und Festnahmen im In- und Ausland gegen Verantwortliche einer mutmaßlich betrügerischen Internetplattform vorgegangen. Die Verantwortlichen sollen Anleger mit der Aussicht auf hohe Renditen gelockt haben. Die Anleger sollten in den Anbau von medizinischen Cannabis-Pflanzen investieren, wie es am Freitag von der Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft hieß. Tatsächlich handelte es sich nach Überzeugung der Berliner Staatsanwaltschaft aber um ein groß angelegtes „Schneeballsystem“. Damit wurden bewusst Kleinanleger angesprochen, Menschen also, die keine Ahnung von Börsengeschäften haben.
Die Ermittler gehen vorerst davon aus, dass 186.500 Anleger insgesamt etwa 645 Millionen Euro zahlten, davon etwa 190 Millionen in Kryptowährungen. Mit Durchsuchungen von 17 Wohnungen und Festnahmen in Deutschland sowie Polen, Lettland und Estland sind die Fahnder gegen die Verantwortlichen vorgegangen, wie die Staatsanwaltschaft gemeinsam mit der Polizei mitteilte. Berlin bildete bei den Aktionen in Deutschland mit zehn Adressen den Schwerpunkt. Weitere Durchsuchungen gab es in Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen.
Cannabis-Spekulanten hatten 500.000 Euro gebunkert
Eine Festnahme gab's auch: Ein 60-Jähriger wurde in Berlin geschnappt und kam in Untersuchungshaft. Er gilt als Chef eines Unternehmens, das dem Firmengeflecht angehören soll. Ein weiterer Beschuldigter im Alter von 55 Jahren wurde dann auch noch in Baden-Württemberg verhaftet. Laut Staatsanwaltschaft hatte er als Geschäftsführer und Gesellschafter des Unternehmens als einziger Zugriff auf die Konten. Es seien Vermögenswerte von etwa 500.000 Euro sichergestellt und zahlreiche Unterlagen sowie Datenträger beschlagnahmt worden.
Gegen die Hauptverantwortlichen der Internetplattform, über die die Geschäfte abgewickelt worden sein sollen, wird wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Betruges ermittelt, wie es hieß. Sie solle von Russland aus agiert haben. Gegen weitere Beschuldigte komme auch der Vorwurf der Geldwäsche in Betracht.
Ob die sogenannten Kleinanleger zum Teil in das Schneeballsystem eingeweiht waren, wurde zunächst nicht bekannt. Auch nicht, ob die Staatsanwaltschaft Berlin entsprechende Untersuchungen einleitet. Üblicherweise gibt es bei der „Kundschaft“ von Schneeballgeschäften prominente Mitwisser, die eine gewisse Dynamik aufbauen und andere Kunden so in das System reinziehen. ■