Antiquitätenladen überfallen

Blutiges Geiseldrama in Berlin: Ein Täter tot, der andere endlich vor Gericht

Neun Stunden war ein Antiquitätenhändler (80) als Geisel in der Gewalt der Ganoven. Mehr als 100 Polizisten waren im Einsatz, darunter eine Verhandlungsgruppe mit Psychologen.

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Der Angeklagte muss sich seit Donnerstag vor Gericht verantworten.
Der Angeklagte muss sich seit Donnerstag vor Gericht verantworten.Pressefoto Wagner

Neun Stunden war ein Antiquitätenhändler (80) als Geisel in der Gewalt eines Gangsters. Dessen Komplize steht sechs Monate nach dem Drama zwischen wertvollem Porzellan und erlesenen Teppichen vor Gericht.

Ein Mann, der erstmals auf der Anklagebank sitzt: Sina H. (23). Der Iraner lebt seit 2017 in Deutschland, hat ein gutes Verhältnis zu Mutter und Schwester, gilt als freundlich. Er arbeitete mal bei einem Teppichhändler, half in einem Lokal aus.

Dann der Raubüberfall, der als nervenaufreibende Geiselnahme mit dem Tod des Komplizen endete.

Der 24. April in der Keithstraße in Berlin-Schöneberg. Kurz vor 17 Uhr stürmten maskierte Männer in das Antiquitätengeschäft von Hassan S. (80). Sina H. und sein Landsmann Mohammad M. E. (41) sollen Motorradhelme getragen haben. Die Anklage: „Sie wollten unter Einsatz einer scharfen Schusswaffe Bargeld erbeuten.“

Opfer beim Geiseldrama geschlagen und gewürgt

Die Gangster brachten den Ladeninhaber und seine Angestellte (62) in ihre Gewalt. Sina H. soll den Antiquitätenhändler „plangemäß“ geschlagen, dessen Hände mit sogenanntem Panzerband fixiert, ihm den Mund zugeklebt haben. M. E. habe die Mitarbeiterin geschlagen, gewürgt, gefesselt, Panzerband um ihren Kopf gewickelt.

Ende der Geiselnahme in Berlin: Polizisten gehen zu ihren Einsatzfahrzeugen zurück. 
Ende der Geiselnahme in Berlin: Polizisten gehen zu ihren Einsatzfahrzeugen zurück. Carsten Koall/dpa

Sie verlangten Geld und Schlüssel zum Tresor. M. E. soll auch ein Cuttermesser angelegt haben, um Antworten vom Händler zu erpressen – „Finger nacheinander abschneiden“. Der Experte für edles KPM-Porzellan hatte allerdings nur einige Hundert Euro in der Hosentasche.

Passanten aber wurden aufmerksam, alarmierten die Polizei. Gegen 17.30 Uhr sperrten Beamte die Straße ab, das Spezialeinsatzkommando (SEK) rollte an, Scharfschützen bezogen Position – mehr als 100 Polizisten waren im Einsatz, darunter eine Verhandlungsgruppe mit Psychologen und eine Mordkommission.

Ein Geiselnehmer erschoss sich selbst

Polizisten machten sich an der Ladentür bemerkbar. Sina H. gab auf: Acht Minuten später verließ er das Geschäft, ließ sich festnehmen. M. E. aber verbarrikadierte sich mit den Geiseln. Todesangst. Stundenlang. „Ich werde euch töten“, soll M. E. gedroht haben.

Gegen 20 Uhr ließ er die Angestellte frei – traumatisiert, Prellmarken am Hals und an den Handgelenken. Den Mann behielt er als Geisel. Stundenlang verhandelte die Polizei mit dem Gangster. Der habe Zigaretten verlangt und Drohungen ausgesprochen.

Schließlich der Zugriff: Gegen 2.30 Uhr stürmte das SEK in das Geschäft, befreite den Inhaber. Geiselnehmer M. E. hatte sich erschossen, bevor er von der Polizei festgenommen werden konnte.

Im Prozess gegen Sina H. geht es um erpresserischen Menschenraub, schwere räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung. Am Donnerstag will er aussagen.