Seit dem 17. Juli gilt in Bussen und Bahnen der BVG ein striktes Waffen- und Messerverbot. Die Berliner Polizei zog seitdem bei Kontrollen 69 Klingen aus dem Verkehr. Diese Zahl bestätigte ein Polizeisprecher am Dienstag dem Berliner KURIER. Gegen 73 Personen wurden Ordnungswidrigkeits-Verfahren eingeleitet – weil sie trotzdem bewaffnet unterwegs waren.
Der Startschuss für das Verbot war ein medienwirksamer Großeinsatz: Am 17. Juli rückten über hundert Beamte in U-Bahnen und Straßenbahnen aus. Ergebnis: drei Messer weniger auf den Schienen. Dazu Ansagen über Lautsprecher und Hinweise auf den Anzeigetafeln. Botschaft an die Fahrgäste: „Damit sich alle wohl und sicher fühlen, ist das Mitführen von Messern und anderen gefährlichen Gegenständen nicht gestattet.“
69 beschlagnahmte Messer sind nur die Spitze des Eisberges
Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) winkt ab. Für ihn sind 69 beschlagnahmte Klingen nur ein Vorgeschmack. „Jeder kann sich ausmalen, dass das nur die Spitze des Eisberges ist, weil die Polizei in den letzten Wochen gar nicht die Kapazitäten hatte, um hier großangelegte Showeinsätze zu fahren.“ Und er warnt: „Messergewalt ist seit Jahren ein wachsendes Phänomen in unserer Gesellschaft, weil immer mehr, gerade junge Männer mit Migrationshintergrund, bereit sind, es dann in Gruppenauseinandersetzungen einzusetzen und andere schwer zu verletzen oder gar zu töten.“
Seine Forderung: Ein echtes Umdenken. „Denn Messer werden nicht in Bus und Bahn verteilt, sondern von zuhause mitgenommen.“ Verbotszonen wie Görlitzer Park oder Leopoldplatz seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Tatsächlich gab es seit dem Auftakt keine Mega-Kontrollen mehr. Wie streng kontrolliert wird, hängt vom jeweiligen Polizeiabschnitt und den freien Kräften ab.
Realität in Berlin zeigt: Das Problem verschwindet nicht. Ganz im Gegenteil.
Gerade erst meldete die Polizei einen Vorfall – ausgerechnet aus einer Waffenverbotszone. Am Leopoldplatz in Wedding soll ein 34-Jähriger am Montag eine Signalrakete auf einen Mann geschossen haben. Danach zückten beide Küchenmesser. Festnahmen, Anzeigen, Strafverfahren – und trotzdem bleibt die bittere Erkenntnis: Auch hier, wo Messer tabu sind, werden sie gezückt.
Die offizielle Statistik ist erschreckend: 9,3 Mal am Tag wird in Berlin ein Messer eingesetzt, um zu drohen oder zuzustechen. Nur die brutalsten Fälle schaffen es in die Schlagzeilen.
Nur die brutalsten Fälle schaffen es in die Schlagzeilen
Wie am Freitagabend: Auf der Karl-Liebknecht-Brücke in Mitte brach ein junger Obdachloser nach einer Messerattacke blutüberströmt zusammen. Zeugen riefen die Polizei. Beamte leisteten Erste Hilfe, Ärzte retteten das Leben des 25-Jährigen in einer Notoperation. Hintergrund: Ein Streit um ein Fahrrad.
Oder nur Stunden zuvor, in der Nacht zum Freitag, auf der Sonnenallee in Neukölln. Ein 28-Jähriger wollte ins Auto steigen, als plötzlich acht Männer ihn umzingelten – offenbar wegen einer Zeugenaussage. Der Streit eskalierte, immer mehr Menschen mischten sich ein. Am Ende standen sich rund 30 Leute gegenüber. Mitten im Chaos: ein Messer. Der 28-Jährige erlitt eine Stichwunde.
Und dann der Horror im Hauptbahnhof: Ein Betrunkener sticht einem 36-Jährigen unvermittelt in den Rücken. Mitten im Herz der Hauptstadt, vor den Augen unzähliger Reisender.