Kolumne „Wir von hier“

Wie sicher ist Berlin? Warum mir ein Brief vom BKA nicht aus dem Kopf geht

Unsere Autorin soll für das BKA Fragen zu ihrem subjektiven Sicherheitsgefühl beantworten

Author - Claudia Pietsch
Teilen
BKA, LKA und infas wollen mehr über das Sicherheitsgefühl der Bürger wissen. Unsere Autorin soll Auskunft geben.
BKA, LKA und infas wollen mehr über das Sicherheitsgefühl der Bürger wissen. Unsere Autorin soll Auskunft geben.Rolf Poss/imago

Das Bundeskriminalamt hat mir einen Brief geschrieben. Keine Pressemitteilung für die Journalistin, sondern ein Schreiben an mich als Bürgerin. Ich wurde ausgewählt  - nach dem Zufallsprinzip aus dem Einwohnermelderegister. Meine Unterstützung ist gefragt. Ich möge doch bitte Auskunft zu meinem Sicherheitsgefühl geben, heißt es in dem freundlichen Schreiben.  

Der Brief kommt vom BKA, dem Landeskriminalamt Berlin und dem infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft. Letzteres will mich befragen für eine Studie unter dem Namen „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (SKiD 2024)“- mitfinanziert von der Europäischen Union. Es war erst eine Ankündigung, den Fragebogen wollen sie in zwei Wochen per Post schicken - aber mir bereitet das jetzt schon Kopfzerbrechen.

Auskunft geben soll ich über mein Sicherheitsgefühl, meine Bewertung der Polizei und meine Erlebnisse mit Kriminalität. Meine Angaben und Einschätzungen sollen, so wird erläutert, das Wissen über Kriminalität und den Schutz vor ihr verbessern.

In der Nacht im Park auf einer Bank sitzen und plaudern

Seit ich das las, habe ich das Gefühl, auf meinen Schultern lastet eine große Verantwortung. Kann ich sagen, dass ich manchmal auch am späten Abend sorglos mit einer Freundin im Park auf einer Bank sitze und bei einem Becher Wein mit ihr übers Leben plaudere? Gleichwohl ich doch weiß, dass viele andere nachts sehr viel Angst in Berliner Parks haben. Kann mein subjektiv sicheres Gefühl auf Berliner Straßen in der Nacht die ganze Studie in eine falsche Richtung lenken? Welches Bild entstünde, wenn statt meiner unser stets gut beschäftigter Polizeireporter an der Befragung teilnehmen würde? 

Das Bundeskriminalamt will mehr über das Sicherheitsgefühl von Berlinern wissen. 
Das Bundeskriminalamt will mehr über das Sicherheitsgefühl von Berlinern wissen. Bihlmayerfotografie/imago

Führt es die Studie nicht in die Irre, wenn ich beschreibe, dass ich mich in unserem Mietshaus sicher fühle? Obwohl eine ältere Nachbarin von gegenüber unlängst fast Opfer einer sogenannten Enkelbetrügerin wurde. Nur ein Bekannter konnte die Frau beruhigen und eine Geldübergabe noch verhindern. Kennengelernt habe ich in diesem Zusammenhang eine sehr zugewandte Polizistin und ihren Kollegen. Ist diese Begegnung repräsentativ? 

Ganz zu schweigen von jenen Berlinern, die mit der mutmaßlichen RAF-Terroristin Daniela Klette in einem unauffälligen Wohnhaus in Kreuzberg Wand an Wand gewohnt haben. Sie hätten sich vor Tagen sicher nicht vorstellen können, dass sie auf einem Waffenberg leben. Eine Panzerfaustgranate und Schusswaffen wie eine Kalaschnikow haben die Ermittler gefunden. Ein Alptraum im Nachhinein. Wer weiß schon, wie viele Nachbarn in Berlin Freude an einer solchen Lagerhaltung haben.   

Es dauert noch einige Tage, bis der nächste Brief vom BKA eintreffen soll

Für die Studie wichtig ist vielleicht auch, dass ich nicht nur Hauptstädterin, sondern auch Teilzeit-Brandenburgerin bin. In der Mark werden in den Häusern häufiger die Türen nicht abgeschlossen und viele Gartenpforten stehen tagein tagaus einladend offen. Kann ich mein Brandenburger Sicherheitsgefühl mit dem in Berlin überhaupt vergleichen? Oder soll ich es ausblenden bei meinen Antworten?

Es dauert noch ein paar Tage, bis der Fragebogen eintreffen soll. Ich bin gespannt und beruhige mich - bei anhaltender Unentschlossenheit kann ich ihn ja auch unausgefüllt lassen. Denn meine Teilnahme ist, so steht es in dem Brief, „selbstverständlich freiwillig“. 

Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
Kontakt zur Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com