Ein erstaunlich milder Freitag im Februar. Die Sonne versucht immer wieder, durch die Wolken zu blinzeln. Ein guter Zeitpunkt für mich, um auf dem Pankower Anger in Berlin die nigelnagelneue Plauderbank anzuschauen. Die was, fragen Sie vielleicht? Eine sogenannte Plauderbank ist ein besonders bequemes Stadtmöbel, mit Armlehnen und Stützen für die Füße. Einladend für alle also, denen Bewegung nicht so ganz leicht fällt. Doch so funktional wie aus dem Heilmittel-Fachgeschäft daherkommen, das können andere Bänke auch.
Einladung zum Reden auf der Plauderbank
Das besondere Exemplar, das direkt neben der Skulptur „Viertelmondträgerin“ auf der Mittelinsel der Breiten Straße zu finden ist, trägt ein Schild. Klein zwar, aber bei näherem Hinsehen liest man „Plauderbank “.
Wer sich auf der Bank niederlässt, kann damit zeigen, er oder sie hätte wohl Freude an einem kleinen Plausch. So jedenfalls das Prinzip, das es auch in anderen Bezirken und Städten schon gibt. Dahinter steckt die Idee, es Menschen leichter zu machen, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Gedacht ist vor allem an Menschen, die einsam sind. Die niemanden haben, dem sie erzählen können, dass der Rücken schmerzt, welche Meinung der Arzt dazu hat oder auch, dass ihnen die aktuelle Weltlage böse Erinnerungen aus Zeiten beschert, die lange als abgehakt galten. Einfach ein bisschen plauschen, quatschen, tratschen. Oder nur hören, dass andere ähnliche Sorgen haben.

"Einsamkeit kann wirklich jeden betreffen“, sagte die neue Einsamkeitsbeauftragte des Pankower Nachbarbezirks Reinickendorf, Annabell Paris, gerade erst. Ihr Titel ist einmalig in Berlin, die Probleme, um die sie sich kümmern soll, sind es nicht. 25 Prozent der Erwachsenen in Deutschland fühlen sich laut einer repräsentativen Befragung für das „Deutschland-Barometer Depression 2023“ sehr einsam.

Da ist so eine Plauderbank doch eine prima Sache. Wobei ich nicht hoffe, dass klassische Oma-Betrüger die Bank für ihre speziellen Kontaktanbahnungen praktisch finden werden. Wagt Euch nicht!
Beobachten, was auf der Plauderbank passiert
Neben dieser Befürchtung hat jene Bank, auf der ich gerade Probe saß und mit zwei Damen ins Gespräch kam, aus meiner Sicht einen nicht zu unterschätzenden Standortnachteil. Zwar ist sie bequem in der Nähe von Wochenmarkt und Einkaufszentrum zu finden, aber ihr genau gegenüber stehen im Halbrund angeordnet vier ihrer schlichten Verwandten. Dort kann man sitzen und auf die Plauderbank wie auf eine Bühne schauen. Beobachten, wer sich niederlässt, wer mit wem wie lange redet oder eben auch nicht. Ganz großes Kino für die einen, etwas unangenehm vielleicht für die anderen. Einsamkeit preiszugeben, ist nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht vor Publikum.
Die zuständige Pankower Ordnungsstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) hat versprochen, es wird noch drei bis vier weitere solche Bänke im Bezirk geben. Gut so. Ich wünsche mir allerdings, dass sie an weniger exponierten Plätzen stehen werden - nicht verschämt versteckt, aber auch nicht wie auf einem Präsentierteller.
Claudia Pietsch schreibt montags im KURIER über Berliner und Brandenburger Befindlichkeiten.
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