Ach, was haben wir in der DDR geflucht, wenn etwas von unseren VEB-Produkten schnell in die Brüche ging. Ich weiß noch, wie ich „scheiß Ost“ rief, als mein frisch vom Jugendweihe-Geld gekaufter Stern-Radio-Rekorder gleich bei der ersten Inbetriebnahme zu leiern anfing. Neidvoll schauten wir da in Richtung Westen, wo die Menschen scheinbar qualitativ viel bessere Produkte hatten als wir, die auch ewig zu halten schienen und bei deren Herstellung man auch nicht pfuschte wie bei uns. Na ja …
Nach dem Ende der DDR sind wir quasi auch zum Westen geworden, auch wenn uns unsere lieben Schwestern und Brüder aus dem Westen als dumme Ossis bezeichneten. Und wir „dummen Ossis“ mussten nun lernen, wie man nun nach westlichen Normen und Vorgaben Dinge herstellt, die bis in alle Ewigkeiten halten. Was daraus wirklich wurde, kann man jetzt in Potsdam sehen.
Denn dort wird seit Tagen fast buchstäblich der West-Pfusch von der Straße gekratzt. Die Rede ist von einem Teil der Rudolf-Breitscheid-Straße nahe der Babelsberger Filmstudios, die zu einer der schlimmsten Schlagloch-Pisten Potsdams verkommen ist. Ich hatte schon an dieser Stelle berichtet, wie das nun zu DDR-Zeiten bearbeitete Kopfsteinpflaster aus der Kaiser-Zeit hervorkam.
Der Asphalt, der dieses eigentlich alles bedecken sollte, wurde kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Zuge der „blühenden Landschaften“, die es ja im Osten so geben sollte, angebracht – selbstverständlich nach westlichen Vorgaben. Hätte also nach unseren Vorstellungen ewig halten müssen. Tat es aber nicht.
Denn man hatte damals beim Asphalt-Auftragen mächtig gepfuscht. Oder wie es mir die Potsdamer Stadtverwaltung erklärte: Der Asphalt löste sich nicht nur wegen Frostschäden, sondern auch „aufgrund des allgemein nicht vorhandenen regelkonformen Oberbaus der Straße in Schollen auf“.

Schlagloch-Piste in Potsdam: Löchriger als ein Schweizer Käse
Da die Schlaglochpiste noch löchriger als ein Schweizer Käse wurde, und das Erklären dieses Teils der Rudolf-Breitscheid-Straße zur Tempo-10-Zone das Auto- und Radfahren auch nicht besser machte, schritt die Stadt nun zur Tat. Und rollten so kurz vor den Brandenburger Landtagswahlen die Bauleute mit ihren Maschinen an, um die Straße und nebenbei auch die Gullys zu sanieren.
Klar, denke ich mir: Es ist so wie früher in der DDR. Um das Wahlvolk für den Urnengang wohlwollend zu stimmen, passieren plötzlich Wunder. Doch das Wunder für die Rudolf-Breitscheid-Straße würde bedeuten: Man versieht die Piste jetzt mit einem ordentlichen Asphalt-Belag, um die Straße mit einem grundhaften Aufbau für alle Zeiten für Autos und Radler befahrbar zu machen, ohne dass bald wieder Löcher entstehen.

Das kostet aber 3,3 Millionen Euro. Und das Geld hat Potsdam nicht. Also bleibt das Wunder vorerst aus. Stattdessen wird die Straße nur vom Asphalt befreit und das dann endgültig hervorkommende Kopfsteinpflaster aus uralten Zeiten richtig saniert. Auch eine Lösung, um Löcher verschwinden zu lassen. Und dies kostet auch nur zwischen 250.000 und 300.000 Euro.
Mit der Lösung kann ich jedenfalls gut leben – nicht nur als Autofahrer, auch als Radfahrer. Früher haben wir ja auch mit dem Drahtesel Kopfsteinpflaster-Straßen gemeistert. Aber ich befürchte, viele Radfahrer sehen das anders. Schon, um ihren zarten Hintern zu schonen, werden sie in spätestens acht Wochen, wenn die kopfsteingepflasterte Rudolf-Breitscheid-Straße fertig ist, auf die Bürgersteige ausweichen und dort den Fußgängern das Leben zur Hölle machen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Norbert Koch-Klaucke schreibt im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■