„Wir im Osten“

AfD im Aufwind, rechtes Geheimtreffen: Gibt es im Osten nur Nazis?

Mit Sorge schaut der Autor auf die jüngsten Ereignisse im Land und wird dabei mit einer provokanten Frage konfrontiert.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Nazi-Aufmarsch in Berlin: Auf einer Demonstration (2021) weht eine Reichsflagge, die vor allem von den rechtsextremistischen Reichsbürgern gezeigt wird.
Nazi-Aufmarsch in Berlin: Auf einer Demonstration (2021) weht eine Reichsflagge, die vor allem von den rechtsextremistischen Reichsbürgern gezeigt wird.Jean MW/imago

Mit großer Sorge schaue ich auf das, was gerade im Osten passiert. Die rechtsextreme AfD ist in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im Wahljahr im Umfragehoch. Und in Potsdam fand ein Geheimtreffen statt, bei dem mit Rechtsextremisten die organisierte Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant wurde. Die Empörung in der Gesellschaft ist zu Recht groß. Und zu Recht werden Diskussionen darüber geführt, bei denen ich aber auch die sehr provokante Frage vernahm, ob es im Osten Deutschlands nur noch Nazis gibt?

Nein, so einfach kann man es sich nicht machen. Allein die Tatsache, dass nach dem Bekanntwerden des Geheimtreffens Tausende in Berlin, Potsdam oder Leipzig auf die Straße gingen, um ein deutliches Zeichen gegen rechts zu setzen, zeigt mir, dass im Osten nicht nur Nazis unterwegs sind. Und dennoch brodelt es.

Nach dem Bekanntwerden des Geheimtreffens: Tausende Menschen gingen in Potsdam auf die Straße, um gegen rechts ein deutliches Zeichen zu setzen.
Nach dem Bekanntwerden des Geheimtreffens: Tausende Menschen gingen in Potsdam auf die Straße, um gegen rechts ein deutliches Zeichen zu setzen.Martin Müller/imago

Warum? In Gesprächen höre ich etwa in Brandenburg, wie unzufrieden man mit der derzeitigen Politik ist. Ich kann das sehr gut verstehen, wenn man sieht, wie die Regierung gerne brisante Themen umschifft. Oder wie sie zum Teil konzeptlos auf die Nöte und Sorgen der Menschen reagiert. Die Bauern protestieren nicht umsonst. Und die Regierung antwortet planlos mit einem Bauern-Soli, den wir alle zahlen sollen. Dabei sind unsere Lebenshaltungskosten schon hoch genug und so mancher weiß nicht einmal mehr, wie er die Miete für die Wohnung noch berappen soll.

Blick auf das Gästehaus in Potsdam, in dem das jetzt bekannt gewordene Geheimtreffen stattfand.
Blick auf das Gästehaus in Potsdam, in dem das jetzt bekannt gewordene Geheimtreffen stattfand.Jens Kalaene/dpa

Oft höre ich, man darf in diesem Land nicht mehr frei seine Meinung äußern und man gilt gleich als Rechter, nur weil man die Regierung kritisiert. Das halte ich für sehr bedenklich. Dass dies auch passiert, will ich nicht bestreiten. Und ich lehne so eine unsachliche Pauschalisierung ab. Doch wer nicht als Nazi abgestempelt werden will, sollte dann in politischen Debatten auch nicht das Vokabular der Rechtsextremisten benutzen. Das geschieht nämlich – und zwar sehr oft.

Rechtsruck im Osten: Wir müssen offen über alle Probleme im Land reden

Da wären wir wieder bei dem Geheimtreffen in Potsdam. Das Erschreckende daran war für mich nicht die Teilnahme von Vertretern der AfD, sondern, dass auch ganz normale Unternehmer und CDU-Mitglieder scheinbar kein Problem damit hatten, sich mit Rechtsextremisten an einen Tisch zu setzen, um mit ihnen Pläne für die künftige Asylpolitik jenseits demokratischer Normen in diesem Land zu schmieden.

Keine Frage: Wir müssen über das Thema Migration, das uns alle in Deutschland angeht und beschäftigt, offen reden und sachlich diskutieren – auch darüber, dass es Gruppen gibt, wie etwa kriminelle arabische Clans, die sich nicht an die Gesetze in diesem Land halten. Aber das muss öffentlich geschehen und nicht hinter verschlossenen Türen wie in Potsdam. Und wenn dann so etwas mit dem menschenverachtenden Plan einer millionenfachen Zwangsvertreibung endet, erinnert mich das nur noch an braune Zeiten in Deutschland, die wir nie vergessen sollten.

Nein, im Osten Deutschlands gibt es nicht nur Nazis. Und nicht jeder, der dort die AfD wählt, ist gleich ein Rechter. Viele Bürger sind einfach unzufrieden, fühlen sich seit Jahren mit ihren Problemen von der Politik im Stich gelassen, sehen sich von so manchen Parteien wie einst in der DDR bevormundet.

Doch wer aus Protest Alternativen wählt, muss auch wissen, dass am Ende Extremisten einen für ihre radikalen Ziele missbrauchen, die mit Hass und Hetze versuchen, die Demokratie in unserem Land zu stürzen. Wenn so etwas passiert, darf es nicht wieder heißen, man hätte von nichts gewusst. Die Gefahr ist bedrohlich nah!

Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten.
Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com