Hertha BSC sucht einen Präsidenten. Nach dem Tod von Kay Bernstein (43) im Januar steigt am 17. November die Wahl bei der Mitgliederversammlung im City Cube. Fünf Wochen bis zur Beantwortung der Frage: Wer ist hier der Boss? Das sind die fünf heißesten Fragen im bemerkenswert stillen Wahlkampf.
Wer hat die besten Chancen?
Eindeutig Fabian Drescher (41). Momentan ist der Rechtsanwalt Interimsboss. Er hat sich eindeutig positioniert: Er will Bernsteins Berliner Weg weitergehen. Drescher ist kein Mann der großen Worte, doch die Herthaner spüren, dass es auch Drescher in den vergangenen neun Monaten geschafft hat, trotz vieler finanzieller Schwierigkeiten den Klub weiter zu einen. Das blau-weiße Herz sehnt sich nach turbulenten Jahren endlich nach Ruhe. Heißester Gegenkandidat ist der Autohaus-Besitzer Uwe Dinnebier (61). Er tritt als Mahner wegen der finanziellen Situation auf. Für ihn wird bei Hertha noch zu wenig saniert. Es gibt mit Herthas Ex-Profi Wolfgang Sidka (70), Gastronom Olaf Brandt (56) und dem jungen Schuhverkäufer Stepan Timoshin (23), der an Lungenkrebs erkrankt ist, noch drei Außenseiter-Kandidaten. Es ist nicht auszuschließen, dass sie bis Mitte November ihre Kandidatur noch zurückziehen.
Bekommt Hertha zum ersten Mal eine Vize-Präsidentin?

Die frühere stellvertretende Pressesprecherin Anne Noske (40) feierte vor zwölf Monaten bei der Nachwahl des Präsidiums ein Sensationscomeback bei Hertha. Jetzt sind sich alle im jetzigen Vorstand einig, dass sie Vize-Präsidentin werden soll. Für dieses Amt kandidiert auch der ehemalige Stürmer Marko Pantelic (46). Der Serbe wird dem Dinnebier-Lager zugeordnet.
Wie wird die Stimmung auf der Versammlung sein?
Herthas Mitglieder haben längst kapiert, dass der Klub gerade magere Zeiten durchlebt, trotzdem sind die Blau-Weißen eigentlich zum Aufstieg verdammt. Nach mäßigem Saisonstart auf Platz 9, auch wegen großen Verletzungspechs (unter anderem fällt Publikumsliebling Fabian Reese seit Saisonstart wegen einer Knöchel-OP aus), muss das Team die Hoffnung vermitteln, dass die Rückkehr in die Bundesliga nicht nur ein Traum ist. Die nächsten vier Spiele gegen Braunschweig (H), KSC (A), Köln (H) und Darmstadt (A) sind richtungsweisend. Gibt es da zu wenige Punkte, könnte die Stimmung bei der Versammlung kippen und Dreschers Wahl zum Boss gefährdet sein.
Was passiert mit den 777-Partners-Anteilen?

Das hochtrabende Investoren-Modell, das Millionen in die Hertha-Kassen spülte, die sprichwörtlich durch jahrelange Fehlentscheidungen verbrannt wurden, ist krachend gescheitert. Erst Skandal-Finanzjongleur Lars Windhorst, jetzt das US-Unternehmen 777-Partners, das auf den Finanzmärkten ins Straucheln geraten ist. 777 hält 78,8 Prozent der Anteile bei der Hertha KGaA, die sollen durch den Hauptgläubiger A-Cap verkauft werden. Doch es gibt Gerichtsverfahren. Der Verkauf könnte sich noch in die Länge ziehen. Ein Interessent soll gerade mal noch 36 Millionen Euro für die Hertha-Anteile geboten haben. Bei dem massiven Preisverfall (Windhorst zahlte 374 Millionen Euro) könnte Hertha bald auf die Idee kommen, die Anteile zurückzukaufen. Es könnte noch zum Überraschungswahlkampfthema werden.
Wird es ein Wahl-Marathon?
Gut möglich! Insgesamt gibt es 27(!) Kandidaten für den sieben- bis neunköpfigen Vorstand. Die Vereinssatzung sieht eine absolute Mehrheit bei der Wahl vor. Nur die anwesenden Mitglieder im City Cube dürfen wählen. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren: Im ersten Wahldurchgang schaffen es nur etwa drei bis vier Kandidaten, auf über 50 Prozent der Stimmen zu kommen. Danach gibt es einen zweiten Wahldurchgang. Gibt es auch da keine Klarheit, wird die Wahl bei einer neuen Mitgliederversammlung fortgesetzt. ■