Was für ein Vergleich! Auto-Großhändler Uwe Dinnebier (61), einer von fünf Kandidaten, die sich am 17. November bei der Mitgliederversammlung um das Amt des Hertha-Präsidenten bewerben, wurde Ende voriger Woche in einem Interview gefragt: „Wenn Hertha ein Auto wäre, wie würden Sie den Zustand beschreiben?“ Dinnebiers deutliche Antwort: „Hertha würde leider nicht mehr durch den TÜV kommen!“
Der erfolgreiche Unternehmer zielte dabei vor allem auf die wirtschaftliche Situation des Klubs ab, aber wenn man seinen Vergleich herunterbricht auf die sportliche Lage, kann man behaupten, auch die löchrige Defensive der Mannschaft von Cheftrainer Cristian Fiel (aber Mittelfeld und Offensive sind dabei von der Kritik nicht ausgenommen) würde im Moment den obligatorischen Sicherheits-Test nicht bestehen.
Herthas Abwehrbilanz ist nicht berauschend
Es gibt das geflügelte Wort: „Mit dem Angriff gewinnst du Spiele, mit der Abwehr Meisterschaften!“ Auf Hertha bezogen: Eine starke Defensive ist die Grundlage für den ersehnten Wiederaufstieg in die Erste Liga. Nach knapp einem Viertel der Saison ist die Bilanz der Abwehr tatsächlich nicht berauschend. 14 Gegentreffer in acht Spielen, davon genau die Hälfte nach Standardsituationen kassiert, sind einfach zu viel und eine der Ursachen, dass die Mannschaft wie festgezurrt im Mittelfeld der Liga verharrt.
Wenn man ein kleines Fazit während der Länderspielpause zieht, muss man beachten, dass Hertha mit Innenverteidiger Marc-Oliver Kempf einen der kopfballstärksten Abwehrspieler der Liga an Italiens Serie-A-Aufsteiger Como 1907 verlor und der flugs als Nachfolger verpflichtete John Anthony Brooks genauso langzeitverletzt ausfällt wie Linus Gechter. Der ehemalige Hertha-Trainer Lucien Favre brachte eine ähnlich prekäre Lage einmal auf den Punkt: „Hast du keine Abwehr, hast du keine Mannschaft!“

Die Spieler von Hertha BSC haben den neuen Spielstil noch nicht verinnerlicht
Es scheint jedenfalls so, als ob der neue Spielstil, den Cristian Fiel seinem Team verordnet hat – starker Ballbesitzfußball – noch nicht völlig verinnerlicht ist. Denkt das Team zu offensiv und vernachlässigt die Abwehrarbeit? „Offensiver, dominanter Spielgedanke“ stand in Herthas Anforderungsprofil für den neuen Cheftrainer. Fiel setzt das bislang gut und sichtbar um. Doch auch bei seinen Vereinen, die er zuvor coachte, zuvor klingelte es oft im eigenen Kasten.
Auf seiner ersten Station als Chefcoach bei Dynamo Dresden hieß es später, Fiel schwärmte vom Fußball von Pep Guardiola, forderte stets viel Ballbesitz. Sein System sei aber auch anfällig für Gegentreffer. Beim 1.FC Nürnberg wurde er 2023/24 für seinen attraktiven und erfolgreichen Fußball gelobt, später ging die Kurve aber nach unten. Am Ende stand Platz 12 und ein Torverhältnis von 43:64. Nur Absteiger VfL Osnabrück kassierte mehr Tore (69).
Herthas größtes Problem ist im Moment die Verteidigung von Standards
Herthas größtes Problem ist im Moment die Verteidigung von Standards. Sieben der 14 Gegentore fielen so: nach drei Eckbällen, zwei Freistößen und zwei Elfmetern. Doch es scheint, als ob Fiel diese Schwäche von zahlreichen seiner Vorgänger tatsächlich „geerbt“ hat. Hertha lebt schon lange mit diesem Phänomen. In der Vorsaison unter Pal Dardai ärgerte sich der Ungar bei insgesamt 59 Gegentoren allein über 18 nach Standardsituationen: elf nach Eckbällen, zwei nach Freistößen, vier durch Elfmeter und ein Treffer nach einem Einwurf! Auch 2019/20 (unter Covic, Klinsmann, Nouri und Labbadia) wurden Standards schlecht verteidigt. Warum das so ist, konnte noch kein Trainer schlüssig erklären.
Ich habe den einstigen Weltklasse-Innenverteidiger Josip Simunic (46), der Hertha weiter aus seiner Heimatstadt Zagreb interessiert verfolgt, gefragt, was die Hauptursache für Versagen bei Standards ist? Simunic (222 Bundesligaspiele für Hertha, 105 Länderspiele für Kroatien) sagt: „Als ehemaliger Profi und späterer Trainer ist das für mich eine Frage der Konzentration. Nichts anderes. Man muss halt auch einmal drei Stunden nur die Verteidigung von Standards trainieren, bis es in die Köpfe der Spieler eingedrungen ist.“
Danach kommt auch die Abwehr garantiert durch den TÜV. ■