Hertha-Kolumne

Mjällby AIF, was Hertha BSC von der Schweden-Sensation lernen kann

Es geht vor allem darum, wie der kleine Dorfklub drei Spieltage vor Schluss den Meistertitel holte

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Sensation mit Happyend: Auch der Meister-Jubel von Mjällby mit schicken Gold-Hüten ist wohl eher einmalig schön.
Sensation mit Happyend: Auch der Meister-Jubel von Mjällby mit schicken Gold-Hüten ist wohl eher einmalig schön.Björn Larsson Rosvall/TT/Imago

Hand aufs Herz: Wer kannte vor rund zehn Tagen Mjällby AIF? Vielleicht ein kleiner Sportverein aus Norwegen, Schweden oder Dänemark? Ich wusste es nicht. Das hat sich nun schlagartig geändert und der tatsächlich ganz kleine Fußballverein aus einem ebenso kleinen Örtchen ist jetzt sogar überall in Europa bekannt und wird als Wunder bestaunt.

Mjällby stand drei Spieltage vor Saisonschluss der schwedischen Meisterschaft als neuer Champion fest, hatte die finanzkräftige Konkurrenz aus Göteborg, Stockholm und Malmö düpiert. Eine Dorfmannschaft – Mjällby liegt in Südschweden und hat 1379 Einwohner – wird nun sensationell in der Qualifikation für die Champions League starten.

Gespielt wird im Stadion „Strandvallen“ im Nachbarörtchen Hällevik (1485 Einwohner). „Wir spielen da, wo die Welt endet und das Meer anfängt“, heißt es romantisch, wenn Mjällby Werbung betreibt. Sollte das Wunder weitergehen, müssten sich die Busfahrer etwa von Bayern München oder von Real Madrid außer dem Navi ganz detaillierte Landkarten besorgen, um den einsamen Landstrich zu finden.

Wer glaubt, es gibt ein großes Geheimnis rund um den Dorfverein, der irrt gewaltig. Zusammenhalt, kluges Scouting, ein klarer Plan über mehrere Jahre, besonnenes Wirtschaften samt einem starken Präsidenten gehören zu den Erfolgsfaktoren. Viele der Spieler leben teilweise gemeinsam in einer Art Studentenwohnheim, grillen und kochen zusammen …

Auch Hertha BSC hatte und hat mit zwei solcher Dorfteams zu tun

Wir alle lieben ja diese herrlichen Außenseiter-Geschichten, die es auch im deutschen Fußball gibt. Auch Hertha BSC hatte und hat noch immer mit zwei solcher Dorfmannschaften zu tun und spürte deren Energie. Einst handelte es sich um den SV Alsenborn und aktuell um die SV Elversberg.

Alsenborn, Anfang der 1960er-Jahre von Fritz Walter, Kapitän der deutschen Weltmeister von 1954, trainiert, schaffte es 1968, 1969 und 1970 als Meister der Regionalliga Südwest in die Aufstiegsrunde zur Ersten Bundesliga, scheiterte aber dreimal.

Hertha BSC holte einst Lorenz Horr nach Pleite in Alsenborn

Die verschworene Truppe aus der Gemeinde Enkenbach-Alsenborn (2750 Einwohner) – nahe Kaiserslautern gelegen – traf 1968 in den Aufstiegsspielen in einer Fünfergruppe auch auf Hertha BSC. Alsenborn siegte im Heimspiel mit 2:1 durch zwei Treffer von Top-Spieler Lorenz Horr. Im Rückspiel gab es vor 80.000 Zuschauern (!) im Olympiastadion ein 1:1. Hertha aber setzte sich in der Gruppe durch und stieg auf. 1969/70 lotste Hertha Alsenborns Spielmacher und Torjäger Lorenz Horr nach Berlin und zahlte mit 336.000 Mark die bis dato größte Ablösesumme in der Ersten Bundesliga. Der SV Alsenborn konnte später den Höhenflug nicht fortsetzen, spielt aktuell in der Bezirksliga Westpfalz (8. Liga).

Einen umgekehrten Weg – von weit unten nach oben – hat die SV Elversberg aus der Gemeinde Spießen-Elversberg im Saarland (zusammen 13.000 Einwohner) hinter sich. Gegenwärtig im dritten Jahr in der Zweiten Bundesliga am Ball, hat sich das einst als krasser Außenseiter gehandelte Team zum Erstliga-Anwärter und sogar zum Angstgegner der Hertha entwickelt. Vier von fünf Duellen gewann Elversberg (Torverhältnis: 15:8). Das DFB-Pokalspiel am Dienstagabend zwischen den beiden Konkurrenten im Olympiastadion ist noch nicht berücksichtigt.

Hertha BSC hätte gerne die Heimbilanz von Mjällby

Zurück zum Sensationsmeister aus Schweden. Was kann Hertha BSC, bislang nicht unbedingt bekannt für positive Sensationen, von Mjällby AIF lernen? Wohl vor allem, dass mit mannschaftlicher Geschlossenheit und einer starken Klubführung sehr viel zu erreichen ist. Schaut man etwa auf die Heimbilanz von Mjällby – die letzten zwanzig Heimspiele wurden nicht verloren (13 Siege, 7 Remis) sieht man das brach liegende Potenzial der Hertha (9 Niederlagen, 6 Remis und 5 Siege in den letzten 20 Duellen im Olympiastadion).

Aber Mjällby zeigt vor allem eines: Alles ist möglich im Fußball. Auch für die Hertha. Dafür müssen Fabian Reese, Marton Dardai & Co. nicht unbedingt wie die Meisterspieler aus Schweden in einer Art Studentenwohnheim gemeinsam ihre Zeit verbringen. Regelmäßige Mannschafts-Abende tun es auch.